0193 - Der Mitternachts-Vampir
Alptraum erlebte, sondern sich inmitten der Realität befand. Ihre Lippen zitterten, die Augen waren angstvoll aufgerissen, ihr Innerstes sträubte sich dagegen, den nächsten Schritt zu tun. Wenn der Vampir das merkte, verstärkte er den Druck.
Schon sehr bald schälte sich etwas aus der Dunkelheit, das die Frau wohl in einem Film gesehen hatte, aber nie in Wirklichkeit.
Rechteckige hohe Gegenstände. Es waren Steinsärge!
Fünf an der Zahl…
Sie standen nebeneinander, berührten mit ihren Kopfenden die Wand, wo auch die schweren Deckel der Särge hochkant gekippt standen.
Gabi blieb stehen. Sie konnte einfach nicht mehr weitergehen. In den Knien bekam sie das große Zittern, vor ihren Augen drehte sich alles, und dann hörte sie hinter sich die dumpfe Stimme des Vampirs.
»Ein Sarg ist für dich, meine Braut«, sagte der Blutsauger.
Da begann Gabi gellend zu schreien!
***
In dieser Nacht, in der all das Schreckliche passierte, machten Suko, Will Mallmann und ich einen Zug durch die Mainzer Altstadt. Suko war unser Fahrer. Er trank keinen Alkohol. Wir hatten ja auch vorgehabt, uns zurückzuhalten, doch wenn man einmal im Trubel steckt, verliert man leicht den Überblick.
Zum Schluß landeten wir noch in einer Studentenkneipe, in der es hoch herging und alte Verbindungslieder gesungen wurden. Man nahm uns in den Kreis auf. Ich wurde zum Ritter geschlagen, spendierte auch Runden, Suko machte man zum Ehrenmitglied und Will Mallmann ebenfalls. Jedenfalls war es schon vier Uhr morgens, als wir schließlich die Kneipe verließen.
Die Kälte traf mich wie ein Schock. Sie vertrieb ein wenig den Alkoholnebel aus meinem Hirn. Will Mallmann bestand darauf, in seine Wohnung zu fahren, um dort die nächsten Stunden an der Matratze zu horchen.
Mit einem Taxi ließ er sich nach Wiesbaden schaffen. Mich brachte Suko zum Hotel, denn Will hatte ihm seinen Manta überlassen. Der Chinese verfuhr sich zweimal, was ich nicht einmal merkte, denn ich war schon eingeschlafen.
Im Halbtran schaffte Suko mich auf das Zimmer, und dort schlief ich wie ein Toter.
Das Erwachen nach solch durchzechten Nächten ist meist fürchterlich.
Mir erging es nicht anders. Ich schwor mir, nie wieder eine Sause zu machen, spürte meinen Magen in der Kehle und darüber die Zunge, die wie ein Stück Pelz im Rachen lag.
Einen Geschmack hatte ich im Mund — widerlich.
Aus fast zugeklebten Augen peilte ich auf die Uhr. Vier Stunden hatte ich geschlafen. Eigentlich zu wenig. Während ich das dachte, fielen mir schon wieder die Augen zu.
Ich wurde erst wach, als die Echos harter Schläge meinen Gehörgang trafen. Das gefiel mir überhaupt nicht, denn die Schläge trafen nicht nur meine Ohren, sie schienen auch innerhalb des Kopfes zu explodieren.
»John!«
Die Stimme kannte ich doch.
»Mach auf, John!«
Das war Suko, der sich da künstlich aufregte. Ich wälzte mich aus dem Bett, öffnete nur ein Auge leicht und schlich leicht schwankend zur Tür.
Der Chinese stand gestiefelt und gespornt vor mir. Er hatte auch gut lachen. Ihm war nichts passiert. Aber mir und meinem Kopf. Ich spielte den Leidenden. Suko drückte mich ins Zimmer zurück und versuchte es dann mit einer Radikalkur.
Plötzlich fühlte ich mich angehoben und in der Luft weitergetragen.
Bevor es mir dämmerte und ich protestieren konnte, stand ich schon in der Duschkabine.
Suko wurde zum Sadisten.
Er drehte voll auf.
Eiskaltes Wasser schoß in feinen, harten Strahlen aus den kleinen Öffnungen und prasselte auf mich nieder. Ich bekam einen Schock fürs Leben. Das war eine Eisdusche, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Alles an mir zog sich zusammen, wurde klein, und als ich aus der Dusche hüpfen wollte, streckte der Chinese beide Arme aus und versperrte mir den Weg.
Der langen Rede kurzer Sinn — die Radikalkur half. Sie vertrieb meinen Kater nebst Müdigkeit aus den Knochen. Als ich die Dusche verließ, bekam ich ein Hungergefühl Für mich war dies ein gutes Zeichen. Meine Reflexe funktionierten auch wieder, als Suko mir ein Handtuch zuwarf, fing ich es reaktionsschnell auf.
»So, und nun ran an den Feind«, sagte er.
Ich trocknete mich ab, schabte mit dem Elektrorasierer Bartstoppeln aus meinem Gesicht und zog mich an.
»Wir können«, sagte ich.
»Wurde auch Zeit.«
»Warum hast du es eigentlich so eilig?« fragte ich.
»Aus zwei Gründen. Erstens bekommen wir sonst kein Frühstück und zweitens will der gute Kommissar um zehn Uhr bei uns sein.«
Ich lachte.
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