0193 - Der Mitternachts-Vampir
warten auf uns. Wir feiern dort ein Fest. Ein herrliches Fest. Es wird dir gefallen. Du möchtest doch immer bei mir bleiben, oder?«
»Nein, nein, ich will nicht bei dir bleiben. Jetzt nicht mehr. Ich will weg!«
»Später, mein Kleiner, später. Ohne dich können wir das Fest nämlich nicht feiern, weißt du?« Und sie nahm auf ihren Sohn keine Rücksicht.
Sie zog ihn tiefer in den unheimlichen Stollen hinein, an dessen Ende das geheimnisvolle Fackellicht leuchtete. Gabi Leber konnte es kaum erwarten, zu beweisen, daß sie voll und ganz zur Gilde der Blutsauger gehörte.
Sie wollte ihr Opfer geben.
Und wenn es der eigene Sohn war…
***
Eine halbe Stunde krebsten wir bereits innerhalb des Steinbruchs herum.
Viel war nicht bei der Suche herausgekommen. Wenn ich ehrlich sein soll, gar nichts. Wir hatten in zahlreichen Höhlen nachgeschaut, waren in Höhlen hineingeklettert und hatten nur ein paar Fledermäuse oder Kriechtiere aufgeschreckt. Von einem Vampir wie wir ihn suchten, war nichts zu sehen.
Wir entdeckten auch keine Spuren, die auf ihn hingewiesen hätten.
Entsprechend war unsere Laune, als wir wieder zusammentrafen und Ergebnisse austauschten.
»Sieht traurig aus«, sprach Kommissar Mallmann das aus, was wir alle dachten.
Nicken.
»Und jetzt?« fragte Suko. »Den Steinbruch haben wir durchsucht und uns fast die Schuhe kaputt gelaufen. Was bleibt? Nichts. Außer Spesen nichts gewesen.«
Er bekam von uns keine Antwort. Wachtmeister Michorek hatte den Plan ausgebreitet und starrte verbissen auf ihn. Unsere Wege waren mit Kugelschreiber markiert worden. Da zogen sich blaue Linien quer über das Papier. Wenn wir uns den Plan anschauten, bekamen wir bestätigt, daß wir wirklich nichts ausgelassen hatten. Wir waren kreuz und quer gelaufen, doch eine Spur oder einen kleinen Hinweis hatten wir nicht entdeckt.
»Sehen Sie noch eine Chance?« erkundigte ich mich bei dem Wachtmeister.
Der hob den Kopf und atmete prustend aus. »No, Sir«, erwiderte er wie ein Landsmann von mir. »Ich sehe keine Chance. Wenigstens nicht im Moment. Manchmal habe ich das Gefühl, daß wir einfach zu wenig sind, die den Steinbruch durchsuchen.«
»Viele Köche verderben auch nur den Brei, und weniger ist oft mehr«, formulierte ich die Antwort in zwei Sprichworten.
»Hilft uns trotzdem nicht weiter«, murrte der dicke Michorek.
»War da nicht mal von einer zerstörten Burg die Rede?« fragte ich leise.
Die Männer schauten mich an. Heftig nickte der dicke Polizist Dabei drehte er sich nach rechts und streckte seinen Arm aus. »Da oben liegt sie.«
Wir konnten nichts sehen. Nur entlaubten Wald.
»Dann schauen wir uns die Sache mal an«, schlug der Kommissar vor.
Damit rannte er bei uns offene Ohren ein. Augenblicklich machten wir uns auf den Weg. Das waren drei Männer und eine alte Lokomotive.
Denn der Wachtmeister schnaufte wie ein vorsintflutliches Dampfroß. Er fiel immer weiter zurück, legte zudem noch Pausen ein und schimpfte über seinen verdammten Job.
Mancher Hang war auch verdammt steil. Einmal mußten wir den dicken Michorek gemeinsam hoch hieven. Als er dann endlich oben war, legten auch wir eine Pause ein. Auf zwei Baumstümpfen fanden wir Platz.
Mit dem Handrücken wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. »Wie weit ist es noch?«
Dreimal holte der Wachtmeister Luft, bevor er antworten konnte.
»Wenn wir den Hang weiter hochgehen, finden wir die Reste der Burg.«
»Dann los.«
Da ich den Vorschlag gemacht hatte, mußte ich es auch beweisen.
Suko ging mit. Ihm war am wenigsten anzumerken. Er ließ mich auch zurück und hatte als erster das Ziel erreicht.
Als ich neben ihm stand, deutete er in die Runde. »Da kannst du es dir anschauen, John.«
Viel war es nicht. Und so hatte auch Sukos Stimme geklungen.
Ziemlich deprimierend.
Da die anderen beiden sich noch auf dem Weg befanden, hatte ich Zeit, mich umzusehen. Ich ging nach rechts, Suko schlug den Bogen auf die linke Seite.
Herbstwald um mich herum. Bäume mit kahlen Ästen und Zweigen. Ihr Laub lag auf der Erde und bildete dort einen dicken Teppich. Manchmal war es vom Wind zu regelrechten kleinen Hügeln aufgetürmt worden.
Der Geruch von Feuchtigkeit und Fäulnis drang mir in die Nase. Die Rinde an den Bäumen schimmerte naß. An manchen Stellen war sie mit einer Moosschicht überzogen.
Ich sah auch die großen Steine, die Reste der ehemaligen Burg, in der der Vampir der Legende nach gehaust haben sollte. Jetzt waren davon kaum mehr
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