0195 - Die Modegangster von New York
Überzeugung nach mit dem Verschwinden und dem sogenannten Unglücksfall der Blanche Santou zusammenhängt. Das Mannequin Pat hat uns einige wertvolle Tipps gegeben, auf die ich im Augenblick nicht näher eingehen will. Sie hätte uns wahrscheinlich noch mehr erzählen können, wenn sie nicht ermordet worden wäre. Sie wurde also ermordet, um zu verhindern, dass sie noch mehr ausplauderte.«
»Ihre Theorie erscheint mir reichlich fantastisch«, meinte Brown zweifelnd. »Ich halte diesen Mord für einen puren Zufall. Mannequins haben gewöhnlich viele Freunde, womit ich nicht sagen will, Sie seien unmoralisch. Sie ging heute Abend mit Ihnen aus, und das wird ihr einer ihrer Verehrer so übel genommen haben, dass er zur Pistole griff. Es wäre nicht der erste Vorfall dieser Art.«
»Ich bin erstaunt, Lieutenant«, lächelte ich. »Seit wann benutzen eifersüchtige Liebhaber Maschinenpistolen, und seit wann warten sie nach echter Gangstermanier in einem Wagen, mit dem sie nach vollbrachter Tat flüchten? Ich könnte mir vorstellen, dass ein derartiger Mann sein scheinbar ungetreues Mädchen im Lokal oder auf der Straße stellt und sie niedersticht oder erschießt. Wäre dies geschehen, so würde ich mir überlegen, ob Sie nicht doch recht haben. Was wir aber heute erlebten, war ein Gangsterüberfall und kein Eifersuchtsdrama.«
Ich ließ ihn stehen und war im Begriff zu dem ausgebrannten Wagen hinüberzugehen, mit dem die Leute von der Mordkommission sich beschäftigten. Phil kam gerade von dort.
»Die Nummernschilder sind unleserlich«, sagte er. »Vollkommen ausgeglüht, die Körper und Gesichter der beiden Männer ebenso unkenntlich. Wenn sie Brieftaschen oder Papiere bei sich gehabt haben, so sind die restlos verbrannt. Die Maschinenpistole ist eine Armeewaffe aus dem Krieg, und die Explosion des Wagens ist auf eine Menge Munition dafür zurückzuführen, die unter dem Sitz aufbewahrt wurde. In der Tasche des einen Gangsters befand sich ein Schlüsselbund, an dem unter anderem auch die Wagenschlüssel hängen. Auch sein Komplice hatte zwei einzelne Schlüssel in der Tasche. Der Rest beseht aus ein paar Dollar Kleingeld. Unsere letzte Hoffnung sind die Zähne. Das Gebiss des einen ist tadellos, und der Doktor schließt darauf, er müsse noch recht jung gewesen sein. Der zweite hat drei Goldzähne, einen Eckzahn links vorn und auf jeder Seite einen Backenzahn. Lieutenant Crosswing wird eine schematische Zeichnung des Gebisses anfertigen lassen und sie sämtlichen Zahnklempnern zuschicken. Wenn die Zahnreparatur in New York gemacht ist, so dürften wir auch den Namen des Burschen herausfinden.«
Ich ging hinüber. Die beiden Leichen hatten nichts Menschliches mehr.
Natürlich würde alles noch einmal eingehend untersucht werden, die Toten vom Polizeiarzt und das Auto von Mechanikern und Spurensuchern.
Ich glaubte nicht daran, dass etwas dabei herauskäme.
Es war sechs Uhr morgens geworden, und Phil gähnte diskret aber unüberhörbar.
»Was hast du vor?«, sagte er. »Ich halte es für am besten, ein paar Stunden zu schlafen.«
Das war auch meine Meinung, aber bevor ich meine Absicht in die Tat umsetzte, wollte ich mir Pat Slongs Wohnung ansehen. Ich brachte also meinen Freund nach Hause und fuhr Richtung Bronx, überquerte den Harlem River und bog links ab.
Die Jackson Avenue ist eine bescheidene Wohnstraße, wie man sie in dieser Gegend sehr oft findet. Die Häuser hatten die erste Jugendblüte hinter sich, und die Hauswirte schienen von der Sorte zu sein, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, die Miete zu kassieren. Nummer 320 hatte vier Stockwerke und sah aus, als habe es gerade die Blattern überstanden.
Ich klingelte im Erdgeschoss an der Tür mir der Aufschrift: CARL BASSLER, Hausmeister. Es gibt zwei Sorten davon, faule und dumme und andererseits solche die intelligent und auf Draht sind. Glücklicherweise gehörte Mr. Bassler zu der letzteren Sorte.
»Ja?«, sagte er.
Ich begann die Konversation damit, dass ich ihm meinen Ausweis zeigte. Dann bat ich ihn, mir Pat Slongs Wohnung zu öffnen.
»Miss Slong?«, frage er erstaunt. »Hat die denn etwas angestellt? Sie sah doch immer so nett und solide aus.«
»Sie hat nichts angestellt. Sie ist tot«, antwortete ich, »ermordet, und wir suchen den Mörder.«
Der Mann war ordentlich blass geworden.
»Nein, so was«, murmelte er.
Wir fuhren hinauf, und er öffnete. Die Wohnung war klein, aber nett. Ich hatte schon gefürchtet, es sei jemand vor
Weitere Kostenlose Bücher