0195 - Eine schaurige Warnung
Boden. Ihr Hals zeigte eine rötliche Verfärbung. Suko kniete über ihr und machte Mund-zu-Mund-Beatmung. Ich ging zu ihm und hoffte, daß mein Partner es schaffte.
Der Sergeant löste sich von der Tür. Er ging wie ein Westernheld, so steif. In seinem Gesicht zuckte es. Nicht mich sprach er an, sondern die übrigen Gäste.
»Geht«, sagte er mit kratziger Stimme. »Los, raus. Ich will euch nicht mehr sehen.«
Die Männer nickten und zogen sich tatsächlich zurück. Wortlos gingen sie, manche von ihnen hatten die Köpfe eingezogen. Ihnen war das Grauen begegnet, und eine Erklärung hatte keiner.
Ich auch nicht. Das sagte ich dem Sergeant, als er mich darauf ansprach.
»Nein, ich kann Ihnen nichts sagen. Noch nichts. Wir müssen erst diesen Abrakim finden.«
»Das wollen Sie noch?«
»Natürlich, Sergeant. Glauben Sie denn im Ernst, er würde seine Pläne nach diesen Vorkommnissen fallenlassen? Wie gefährlich er ist, haben Sie ja gesehen. Wenn wir ihm nicht das Handwerk legen, werden bald noch mehr Menschen in seine Klauen geraten und zu dämonischen Wesen verändert.«
»Aber wie wollen Sie ihn stoppen?« In der Stimme des Polizisten klang Verzweiflung mit.
»Indem wir ihn aus seinem verdammten Rattenloch holen, Sergeant. Das ist es.«
»Sie schaffen es nicht.«
»Keine Sorge, Mr. Fawcett. So leicht kriegt man uns nicht unter. Nur müssen wir uns beeilen.«
»Der… der Arzt kommt«, meldete der Wirt.
»Wen haben Sie angerufen?« fragte Fawcett.
»Dr. Hillary.«
»Aber das ist doch ein Quacksalber.«
»Es gibt ja keinen anderen in Esberry.«
»Leider!« knirschte der Polizist. »Hillary ist ein pensionierter Arzt, der die Siebzig bereits erreicht hat. Kaum einer schenkt ihm noch Vertrauen.«
Die Erklärung war mehr für uns gedacht.
»Wollen hoffen, daß er es schafft«, sagte ich.
Fawcett ging zum Tresen und nickte dem Wirt zu. »Gib uns einen Schnaps, Perry.«
Der Wirt schob dem Sergeant die Flasche hin. Er konnte kein Glas füllen, da seine Hände zu sehr zitterten. Fawcett selbst schenkte ein.
Suko richtete sich auf.
»Und?« fragte ich.
»Sie wird es schaffen«, behauptete mein Partner. »Puls und Herzschlag sind zwar nicht normal, aber wahrscheinlich ist sie in zwei Tagen wieder fit.«
Uns fiel ein Stein vom Herzen, und der Wirt stöhnte vor Erleichterung auf.
»Es ist seine Frau«, erklärte der Sergeant.
Er und ich tranken. Der Schnaps gehörte zu der Selbstgebrannten Sorte, und er schmeckte nach wildem Wacholder.
»Da sitzt was hinter«, sagte der Polizist und wischte sich über die Lippen, bevor er ein zweites Glas einkippte.
Dann erschien der Arzt. Ein älterer Mann, der eine schwarze Tasche trug und seinen mageren Körper in einen grauen Mantel gewickelt hatte.
»Nein, nein«, sagte er, als er sich das Gesicht des Verletzten anschaute. Danach arbeitete er schnell und geschickt. Man konnte wirklich mit ihm zufrieden sein.
Ich schaute auf meine Uhr. Der nicht einkalkulierte Zwischenfall hatte uns Zeit gekostet.
»Wollen Sie nicht doch bis zum morgigen Tag warten?« fragte mich Sergeant Fawcett.
»Auf keinen Fall. Das hier muß durchgezogen werden, bevor Abrakim noch mehr Unheil anrichtet. Es tut mir leid, Sergeant, aber so ist es nun einmal.«
»Ich werde mitgehen.« Er stieß die Worte hart hervor, und wir merkten ihm an, welch eine Überwindung es ihn kostete, so zu handeln. Bei uns stieß er mit diesem Entschluß auf Granit.
»Das kommt nicht in Frage«, erwiderte ich. »Sie bleiben hier, Mr. Fawcett.«
»Aber Sie kennen den Weg nicht.«
»Sie denn?«
»Den Wald kenne ich einigermaßen. Wenigstens die Randgebiete. Ich weiß nur nicht, wo sich dieser verdammte Abrakim aufhält.«
»Wir werden ihn schon finden.«
Fawcett leerte das zweite Glas mit einem Schluck. »Das, Sir, glaube ich Ihnen nicht. Was zahlreiche Einheimische nicht geschafft haben, wollen Sie schon beim erstenmal packen?«
»Warum nicht?« Ich lächelte. »Es ist doch ganz einfach. Der Wald ist, soviel ich inzwischen weiß, eine Falle für die ahnungslosen Menschen. Und wir werden uns gern in die Falle begeben. Nicht wir finden Abrakim, sondern er uns.«
»Davon sind Sie überzeugt?«
»Sonst würden wir dieses Unternehmen nicht starten.«
Fawcett hob die Schultern. »Ich sehe schon, daß ich Sie nicht abhalten kann.«
»Nein, das können Sie wirklich nicht. Aber Sie und Ihre Leute könnten dafür sorgen, daß niemand außer uns den Wald betritt. Sonst würde es wirklich gefährlich.«
Fawcett
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