0199 - Das Erbe des Schwarzen Tods
mit der schußbereiten Beretta.
Es war verflixt schwer für mich, eine Entscheidung zu fällen.
Wenn ich schoß, mußte ich den Kopf des Tieres treffen, was bei diesem Büchsenlicht wirklich nicht leicht war. Das gab mir allerdings noch nicht die Garantie, daß der Wolf nicht zubeißen würde. Er konnte im letzten Moment zuschnappen, dann war es um meinen Freund Bill Conolly geschehen.
So und nicht anders sah die Sache aus.
Einen Schritt ging ich noch näher.
»John!« hörte ich Sheilas bebende Stimme. Die Frau war zu einem Denkmal erstarrt, und ich war nur froh, daß sich der kleine Johnny hier nicht auch noch herumtrieb.
Da drehte der Wolf den Kopf, und er bewegte sich dabei auf Bills Körper noch ein wenig nach hinten, so daß er besser in den Schein der Lampe geriet.
Für einen Moment sah ich die Augen.
Ich stutzte!
Siedendheiß rann es durch meinen Körper. Himmel, diese Augen, die hatte ich schon gesehen!
Und nicht nur einmal.
Sie schillerten grün. Es war ein helles klares Grün, wie bei einer gläsernen Murmel.
Und wer schaute so?
Nadine Berger!
Die Frau, die ich hatte sterben sehen und deren Seele sich jetzt im Körper eines Wolfes befand.
Nun war sie hier!
Bei mir sogar, in meiner unmittelbaren Nähe. Sie hatte tatsächlich den Weg gefunden.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das durfte doch nicht wahr sein! Hoffnung, Bestürzung, in meinem Inneren war ein völliges Durcheinander. Ich vergaß meine Umwelt, sah Bill Conolly nicht und auch nicht mehr Sheila. Im Unterbewußtsein hörte ich wohl Schritte, als Suko und Shao sich näherten, meine Blicke jedoch waren nur auf das Augenpaar in dem Wolfskopf fixiert.
Nadine Berger!
Ich war so von meiner Sache überzeugt, daß ich die Beretta wegsteckte, als ich auf den Wolf zuging. Nadine sollte wissen, daß ich nicht auf sie schießen würde, und ich vernahm hinter mir Sheilas erschreckten Aufschrei sowie Sukos beruhigende Stimme. Er ahnte sicherlich die Zusammenhänge, und er wußte auch, daß ich genau das Richtige tun würde.
Noch zögerte das Tier.
Dann jedoch drehte es seinen Körper zur Seite, verließ Bill und kam auf mich zu.
Ich ging in die Knie.
Wir schauten uns an. In meiner Kehle stieg es heiß hoch. Ich streckte den Arm aus und hielt ihr meine Hand entgegen.
»Nadine?« flüsterte ich.
Sie näherte sich mir.
Eine Wölfin mit rötlichbraunem Fell, und sie hockte sich vor meiner Hand zu Boden, wobei sie ihre Schnauze auf meine ausgestreckten Finger legte.
Eine warme Zunge fuhr zwischen den Zähnen hervor und leckte auf meiner Hand den salzigen Schweiß weg.
»Nadine!« sagte ich.
Da hob die Wölfin den Kopf und schaute mich an. Unendliche Trauer stand in ihrem Blick zu lesen. Mir fuhr es durch und durch, auch meine Augen wurden feucht. Dann legte ich meinen Arm um den Kopf der Wölfin und blieb so sitzen. Ich spürte ihr warmes Fell und merkte gleichzeitig, wie sehr ich zitterte.
Minuten vergingen. Wir saßen auf dem Boden und hingen beide unseren Gedanken nach.
Sheila, Shao und Suko umstanden uns. Auch Bill hatte sich erhoben, klopfte, so gut es ging, den Schmutz von der Kleidung und hob seine Waffe auf.
Verwundert schaute er auf uns nieder.
Er durchbrach auch das Schweigen. »John, was ist geschehen? Was machst du mit diesem Werwolf?«
»Es ist kein Werwolf.«
»Nicht?«
»Nein, Bill, dieses Tier hat mir schon einmal das Leben gerettet, als ich im Wald der Skelette geköpft werden sollte. In dem Körper steckt die Seele eines Menschen, die Seele von Nadine Berger!«
»Nein!« keuchte Bill und wankte einen Schritt zurück. »Das darf nicht wahr sein.«
»Es stimmt aber.«
»Wie ist es möglich?«
»Ich weiß es nicht genau. Wir sollten ins Haus gehen. Ich muß auch erst damit fertig werden.«
»Und der Wolf?«
»Nadine kommt mit.«
Bill zuckte zusammen, nickte dann und meinte: »Okay, John, wenn du willst.«
Sehr überzeugt klang seine Stimme nicht. Ich konnte es ihm nicht verdenken, denn Bill hatte sicherlich Todesängste ausgestanden, als ihn die Wölfin bedrohte.
Wir drehten uns um und gingen.
Nadine hielt sich an meiner rechten Seite. Sie drängte sich gegen mich, und ich spürte die Wärme ihres Körpers durch den Stoff meiner Hose.
Suko hielt mich auf. Sein Gesicht zeigte einen sehr ernsten Ausdruck. Ich wußte, was in seinem Kopf vorging. Sicherlich machte er sich über das Tier Gedanken. Es war jetzt bei uns, und zwangsläufig stellte sich die Frage: wohin damit?
»Wir reden später«, sagte
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