02 Arthur und der Botschafter der Schatten
Giovanni, sondern auch mit Mario Montalba telefoniert. Der Sohn des Bologneser Antiquars hatte zwar selbst nicht genügend Platz in seiner Wohnung, versprach aber, uns bei einem befreundeten Hotelier unterzubringen. Ich steckte den Zettel mit seiner Adresse und Telefonnummer ein.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, unsere Koffer zu packen. Larissa war, wie schon am Tag zuvor, ausgesprochen schweigsam, wenn wir uns zufällig auf dem Flur begegneten. Wenn sie es so wollte, dann sollte sie es so haben. Ich konnte auch schweigen.
Als wir uns am nächsten Morgen zum Frühstück in der Küche trafen, war der Bücherwurm schon aus dem Haus. Er hatte uns einen Zettel mit der Botschaft Muss noch was für eure Reise besorgen zurückgelassen.
Ich mischte mir mein Müsli zusammen, während Larissa frische Erdbeeren in eine Schale Joghurt schnitt. Dann setzte sie sich auf die andere Seite des Tisches und löffelte ihr Frühstück schweigend in sich hinein.
Ich hielt es nicht mehr aus. »Wenn unsere Reise so weitergeht, werden wir nicht viel herausfinden«, sagte ich. Es kam etwas lauter heraus als beabsichtigt.
Larissa blickte von ihrem Joghurt auf. »Wovon sprichst du?«
Tat sie nur so? Oder merkte sie wirklich nichts?
»Kommunikation«, erklärte ich. »Das ist das, was Menschen machen, wenn sie gemeinsam eine Aufgabe lösen wollen.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Sprichst du von Kommunikation oder von sinnlosem Herumschwatzen?«
Ich knallte meinen Löffel so hart auf die Tischplatte, dass mir ein Milchtropfen bis ins Auge flog. Kaum hatte ich meinen Mund für eine scharfe Antwort geöffnet, schloss ich ihn wieder und atmete dreimal tief durch.
»Was ist nur mit dir los?«, rief ich.
»Es tut mir leid«, murmelte sie und ihr Gesicht verlor seinen aggressiven Ausdruck. »Du kannst das wahrscheinlich nicht verstehen. Jahrelang habe ich geglaubt, meine Eltern seien tot. Irgendwann habe ich einfach nicht mehr an sie gedacht. Mein Leben und meine Familie – das war mein Großvater.« Sie machte eine kleine Pause. »Und seit ein paar Jahren du. Und dann, auf einmal ...«
Ihre Stimme brach ab. Auch meine Wut war völlig verraucht.
»Ich will dir doch nur helfen«, sagte ich.
»Ich weiß. Aber du kannst mir das nicht abnehmen. Alle meine Gedanken drehen sich plötzlich nur noch darum, meine Eltern wiederzusehen. Das ist manchmal so stark, dass es in meinem Kopf keinen Platz mehr für etwas anderes gibt.«
Ich schwieg. Auf der einen Seite wollte ich natürlich, dass es zwischen uns wieder so war wie früher. Andererseits konnte ich sie aber auch verstehen. Es sah wohl so aus, als würde ich mich weiter in Geduld üben müssen. Ob mir das allerdings immer gelingen würde, dessen war ich mir nicht sicher.
Zum Glück kam in diesem Augenblick der Bücherwurm herein. Er trug eine Plastiktüte in der Hand, aus der er einen Karton herauszog und zwischen uns auf den Tisch stellte. »Eure Kommunikationszentrale für die Reise«, sagte er.
Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte ein Android-Handy für uns gekauft! Ich wollte es mir gerade näher ansehen, als mir der Karton von Larissa unter der Nase weggerissen wurde.
»Erste!«, grinste sie triumphierend.
Meinetwegen! Sollte sie das Gerät erst einmal untersuchen, wenn sie wollte. Ich würde unterwegs noch genug Zeit dazu haben. Hauptsache, ihre Stimmung hatte sich gebessert. Ich setzte mich wieder an meinen Platz und löffelte mein Müsli zu Ende.
»Und?«, fragte der Bücherwurm. »Zufrieden?«
»Erste Sahne, Opa«, strahlte Larissa.
Android war ein Betriebssystem, das von Google für Handys entwickelt worden war. Damit konnte man nicht nur telefonieren, sondern tausend andere Sachen machen: im Web surfen, E-Mails verschicken und empfangen, fotografieren, Musik identifizieren und vieles mehr. Die Bedienung war dabei ausgesprochen simpel: Man strich einfach mit einem Finger über das Display und wechselte so zwischen verschiedenen Dateien oder Programmen.
»Ich dachte mir, ihr braucht etwas, das euch unabhängig macht von Internet-Cafés und festen Computern«, erklärte der Alte. »Es spart Zeit – und ihr könnt mich auch besser auf dem Laufenden halten.«
»Das GPS nicht zu vergessen«, ergänzte Larissa. »Damit wird die Orientierung in einer fremden Stadt zum Kinderspiel.«
»Ich verlasse mich lieber auf einen guten Stadtplan«, widersprach ich. »Da kann ich mir einen Überblick verschaffen, wie alles zusammenhängt, anstatt immer nur einer Ansage zu
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