02 Arthur und der Botschafter der Schatten
Wahrscheinlich nahmen sie an, sie könnten die Hinweise darin ebenso gut entschlüsseln wie wir. Und ich bin mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht auch stimmt. Unsere Erfolge waren eher eine Kette von Zufällen als das Ergebnis eines geplanten Vorgehens.«
»Aber genau das ist es, was einen Bewahrer auszeichnet«, sagte der Bücherwurm. »Wenn es eindeutige Spuren zu den Vergessenen Büchern geben würde, dann könnte doch jeder sie finden. Zufälle hingegen sind etwas völlig anderes, vor allem dann, wenn sie nacheinander auftreten. Das würde der cleverste Sucher nicht schaffen.«
Das klang logisch. Trotzdem ließen Larissa und ich in unserer Wachsamkeit nicht nach, bis wir das Haus des Bücherwurms erreicht hatten.
Nachdem wir alle um den Küchentisch Platz genommen hatten, schlug ich das Register auf. Es war nach wie vor eine verwirrende Mischung aus verschiedenen Handschriften und lateinischen oder anderen unbekannten Wörtern.
In der ersten der drei Spalten standen die lateinischen Namen der Vergessenen Bücher.
»Buch der Wege müsste auf Latein liber viarum oder liber itinerum heißen«, murmelte der Bücherwurm. Da wir den letzten Eintrag suchten, blätterte ich das Register von hinten aus durch und fuhr mit meinem Finger die erste Spalte entlang. Das Buch der Wege war offenbar lange nicht bewegt worden, denn ich stieß erst in der Mitte des Registers auf die Worte liber itinerum .
Der Eintrag dahinter war in geschwungener Schrift verfasst und lautete:
Sol. Salutas. Sep hard i. Achuras.
Das dritte Wort war so ausgebleicht, dass man nur den Wortanfang und den letzten Buchstaben identifizieren konnte.
Frustriert blickte ich auf. »Das kommt mir alles Spanisch vor.«
Der Bücherwurm lächelte. »Damit liegst du gar nicht so falsch. Ich vermute mal, es ist in der Tat Spanisch – oder hat zumindest etwas mit Spanien zu tun. Wartet mal einen Moment.«
Er stand auf und verschwand in seiner Privatbibliothek. Wenige Minuten später kam er mit einem dicken Buch unter dem Arm zurück.
»Das ist ein spanisches Wörterbuch«, erklärte er. »Zwar nicht die allerneueste Ausgabe, aber wir haben es ja auch nicht mit der aktuellen Sprache zu tun.«
Er legte den Wälzer vor sich auf den Tisch und begann zu blättern. Dabei stiegen feine Staubwolken auf, und ich musste für einige Sekunden mit einem starken Niesreiz kämpfen. Der Bücherwurm merkte davon nichts.
»Achuras«, murmelte er und überflog die Seiten. »Achuras ... ah, hier haben wir es. Das kommt aus dem südamerikanischen Spanisch und bedeutet Innereien.«
»Bäh«, rief Larissa.
Ihr Großvater sah sie tadelnd an. »Das solltest du nicht sagen. Früher, als die Leute noch ärmer waren und es kein Fleisch im Überfluss gab, galten Innereien als Delikatesse. Als ich klein war, kaufte meine Mutter einmal in der Woche Kutteln.«
»Was sind denn Kutteln?«, fragte ich.
»Das ist der in Streifen geschnittene Vormagen von Schafen, Kälbern oder Rindern. Meine Mutter machte aus Kutteln und Bohnen einen Eintopf, den ich sehr gern gegessen habe.«
Larissa sagte zwar nichts, aber von ihrem Gesicht war der Abscheu deutlich abzulesen. »Und was hat das mit Spanien zu tun?«, fragte sie.
Der Bücherwurm lächelte süffisant. »Dort werden Innereien auch heute noch sehr gern verspeist. Wie übrigens auch in Portugal und Italien. Mein Freund Montalba in Bologna zum Beispiel liebt seine Kutteln über alles. Hat er euch während eures Aufenthalts keine serviert?«
Ich versuchte mich zu erinnern, was wir bei den Montalbas gegessen hatten. Bei dem Gedanken, es könnten Innereien dabei gewesen waren, wurde mir ganz flau im Magen. Ich sah, dass es Larissa nicht anders ging.
»Können wir dieses eklige Thema jetzt vielleicht lassen und zurück zum Wesentlichen kommen?«, sagte sie.
Der Bücherwurm konnte nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Aber er war klug genug, sich nicht auf eine Auseinandersetzung mit Larissa einzulassen. Seit dem Brief ihrer Eltern war sie verständlicherweise nicht besonders zum Scherzen aufgelegt.
» Sol brauche ich nicht nachzusehen. Das bedeutet Sonne. Und salutas müsste eigentlich die Gesundheit sein ...«
Er blätterte in seinem Buch und hielt verdutzt inne. »Hmm ... nein, Gesundheit heißt auf Spanisch salud . Aber es leitet sich vom lateinischen salutas ab.«
»Okay«, fasste ich zusammen. »Wir haben Sonne, wir haben Gesundheit und wir haben Innereien. Das ergibt für mich keinen Sinn. Was ist mit dem letzten
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