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02 Arthur und der Botschafter der Schatten

02 Arthur und der Botschafter der Schatten

Titel: 02 Arthur und der Botschafter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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lachte freudlos. »Ihr wollt mir erzählen, dass euch dieser Kerl hier überfallen hat, um ein paar Bücher zu stehlen?«
    »Es sind unersetzliche Bände aus dem Privatbesitz des Kalifen.«
    »Das werden wir ja sehen.« Er befahl einem seiner Leute, die Truhe zu öffnen, ergriff eine Fackel und beugte sich darüber. Mit einer Hand tastete er in der Kiste herum.
    »Es sind wirklich nur Bücher.« Der Anführer richtete sich wieder auf. Seine Stimme klang enttäuscht. Noch einmal betrachtete er Abul Hassan und Ramiro mit zusammengekniffenen Augen, dann machte er eine ungeduldige Handbewegung.
    »Ihr könnt passieren«, sagte er. »Und seid in Zukunft vorsichtiger, wenn ihr das Eigentum des Kalifen transportiert.«
    »Das werden wir.« Abul Hassan und Ramiro nahmen die Griffe der Truhe und hoben sie an. Ramiro beobachtete seinen Freund besorgt, ob er der Aufgabe gewachsen war, aber Abul Hassan zeigte kein Zeichen von Schwäche. Mit dem inzwischen zum Teil getrockneten Blut auf seinem Gesicht sah er im Licht der Fackeln eher wie ein Kämpfer als wie ein Bibliothekar aus. Und war er schließlich nicht auch beides? Ramiro hatte nicht geahnt, welche Kräfte in seinem alten Kollegen steckten.
    »Was werdet ihr mit dem Mann machen?«, fragte Abul Hassan.
    Der Anführer versetzte García, der immer noch am Boden lag, einen Tritt. »Das wird der Richter entscheiden. Hebt ihn auf!«
    Zwei seiner Männer packten García bei den Armen und zogen ihn grob in die Höhe. Hasserfüllt starrte er die beiden Bibliothekare an.
    »Ich werde nicht der Letzte sein!«, schrie er. »Versteckt sie nur, eure Bücher. Nach mir werden andere kommen, und irgendwann wird einer von ihnen Erfolg haben! Ihr habt jetzt schon verloren!«
    Einer der Soldaten stieß ihn vor sich her. Die Patrouille entfernte sich mit ihrem Gefangenen, aber sein Gebrüll war nach wie vor zu hören. Es hallte wie ein unheilvolles Echo durch die dunklen Gassen:
    »Ihr habt verloren … verloren … verloren …«

 
    An einem Freitagnachmittag, kurz nach Beginn der Sommerferien, begegnete ich Pontus Pluribus zum zweiten Mal in meinem Leben.
    Ich hielt mich, wie üblich, in der Buchhandlung des Bücherwurms auf. Draußen brannte die Sonne, und im Laden, in den sich, wie meistens, kein Mensch verirrt hatte, war es erfrischend kühl. Zum wiederholten Mal fragte ich mich, wovon der Bücherwurm wohl leben mochte. Vom Bücherverkaufen sicher nicht, dafür kamen zu wenig Kunden in sein Geschäft.
    Der Alte war zur Post gegangen und hatte die Buchhandlung meiner Obhut überlassen. Das tat er inzwischen immer häufiger. Manchmal blieb er stundenlang weg, um irgendwelche alten Schwarten zu inspizieren, die ihm zum Kauf angeboten wurden.
    Ich nutzte die kundenlose Zeit, um neu eingetroffene Exemplare einzuräumen. Das war eine Arbeit, die sich meistens etwas in die Länge zog. Ich konnte nämlich kaum ein Buch einordnen, ohne nicht vorher einen kurzen oder auch längeren Blick hineinzuwerfen. Zuerst schlug ich es irgendwo in der Mitte auf und steckte meine Nase hinein. Viele Menschen wissen nicht, dass Bücher einen ganz eigenen, verführerischen Duft haben. (Die meisten zumindest – manche riechen einfach nur eklig.) Rein wissenschaftlich gesehen besteht er zwar nur aus einer Mischung der Ausdünstungen von Papier und Druckfarbe, aber mit diesen beiden Zutaten lässt sich eine Vielfalt von Aromen erzeugen.
    Beim erfahrenen Buchschnüffler ruft der Geruch eines Buches ein warmes, angenehmes Gefühl hervor, das den ganzen Körper durchströmt. Es sind die Erinnerungen an all jene Gelegenheiten, bei denen man Bücher mit einem ähnlichen Duft gelesen hat, ohne dass man sich dabei an einen bestimmten Inhalt erinnert.
    Ich hatte meine Nase gerade in einen äußerst wohlriechenden Roman vertieft, als ich hinter mir die Klingel der Eingangstür hörte. Widerstrebend blickte ich auf.
    Vor mir stand Pluribus. Seine Gestalt erschien noch genauso furchteinflößend wie vor einem Jahr: der lange, schwarze Mantel, die gebeugte Haltung, die spitzen, gelben Fingernägel, der dünne Vogelhals und die dunklen, bohrenden Augen, die unter seinem tief in die Stirn gezogenen Hut hervorblitzten.
    Inzwischen war ich allerdings ein Jahr älter geworden und hatte mit Madame Slivitsky und ihren Söhnen ein paar Gegner erlebt, die Pluribus an Niedertracht gewiss in nichts nachstanden. Außerdem erinnerte ich mich an die Worte des Bücherwurms nach meiner ersten Begegnung mit der Vogelscheuche: »Er ist wie ein

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