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02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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abgesehen, das sie mit der Zeit fließend sprechen lernten, fanden sie den Unterricht in Englisch und Französisch und im Koran öde und langweilig, zumal er größtenteils aus mechanischen Übungen bestand. Die beiden Brüder wußten, daß sie gegenüber ihren Klassenkameraden zu Hause in Frankreich zurückfielen.
    Im Januar 1981 sah Marie-Anne im Fernsehen eine Sendung über Rückentführungen. Sie nahm Kontakt zu zwei der im Fernsehen gezeigten Frauen auf: zu Gabrielle Barton, die ihre beiden Kinder aus Saudi-Arabien herausgeholt hatte, und zu Jocelyne Bany, deren siebenjähriger Sohn von seinem Vater nach Algerien entführt worden war. Obwohl Marie-Anne immer noch auf eine legale Lösung hoffte, schmiedete sie einen Plan, der sie mit freudiger Erwartung, aber auch mit Angst erfüllte: Sie wollte ihren Söhnen zur Flucht verhelfen.
    Im März reiste sie nach Ghardaia, um die Jungen wiederzusehen. Sie vereinbarte mit ihren Söhnen einen geheimen Verständigungscode und wies sie an, sich für alle Fälle bereitzuhalten. Außerdem machte sie Fotos von den Jungen für gefälschte Pässe. Bald merkte sie freilich, daß ihr Plan keine Aussicht auf Erfolg hatte. Zum einen verfolgte Bra-him argwöhnisch jede Bewegung Marie-Annes und hinderte sie daran, mit Amar und Farid allein zu sein. Zum anderen stellte sie fest, daß sie eine schriftliche Erlaubnis von Brahim vorweisen mußte, wenn sie die Jungen außer Landes bringen wollte, auch wenn die falschen Pässe nicht beanstandet wurden. Und schließlich lagen 400 Kilometer Sahara zwischen Ghardaia und Algier, der einzigen Stadt, durch die sie das Land verlassen konnte. Sie sah keine Möglichkeit, dorthin zu gelangen.
    Die Jungen waren wütend über den reglementierten Um-
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    gang mit ihrer Mutter. Die Beziehung, die ihnen am meisten bedeutete, wurde mit Füßen getreten. Sie waren auch darüber erbost, wie geringschätzig Brahims Familie Marie-Anne behandelte. Ihre Mutter galt der Familie als niedere Person, als »unrein«, weil sie Christin war und - Gipfel der Grausamkeit - weil sie ihre Kinder verloren hatte. Brahim verbot ihr sogar, im Haus irgend etwas zu berühren.

    Mutter und Söhne spielten endlose Partien Scrabble, damit sie wenigstens beieinandersitzen und sich stumme Zeichen geben konnten. Sie schlichen sich auch heimlich in den Hof, um Brahims beklemmenden Blicken wenigstens für einige Momente zu entfliehen . . . und um sich zu umarmen und zu küssen und von Flucht und einem gemeinsamen Leben zu träumen.
    Kurze Zeit nach dem zweiwöchigen Besuch und ihrer Rückkehr nach Frankreich erhielt Marie-Anne einen Brief, den ihre Söhne an ihrem Vater vorbei hinausgeschmuggelt haben mußten. »Mutter, sei vorsichtig«, hieß es darin,
    »Vater will wieder heiraten.« Marie-Anne beschritt daraufhin den Weg, den so viele Eltern beschreiten, die ihre Kinder verloren haben: Sie schöpfte die gesetzlichen Möglichkeiten ihres Landes aus. Sie erwirkte die Scheidung und nahm wieder ihren Mädchennamen Marie-Anne Pinel an. Zudem erreichte sie, daß ihr von einem französischen Gericht das Sorgerecht für Amar und Farid zugesprochen wurde. Doch sie mußte wie so viele vor ihr feststellen, daß das Urteil wertlos war. Trotz oder gerade wegen der seit langem bestehenden Beziehungen zwischen den beiden Ländern hat das Urteil eines französischen Gerichts in Algerien keine Gültigkeit.
    Als Marie-Anne versuchte, das Sorgerecht von einem algerischen Gericht zugesprochen zu bekommen, erhielt sie eine Abfuhr. Das im Land geltende islamische Recht war eindeutig: Die Jungen gehörten zu ihrem Vater.
    Allerdings
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    entschied das Gericht, Brahim müsse Marie-Anne finanziell entschädigen. Das Geld sollte ihr helfen, die Prozeßkosten zu bestreiten.
    Nach Brahims erneuter Heirat 1982 wohnten die Jungen nicht mehr bei anderen Verwandten, sondern zogen in das Haus ihres Vaters. Dort mußten sie sich den Anweisungen der Stiefmutter fügen. Die Konflikte waren vorhersehbar, besonders als ihr Vater wegen politischer Aktivitäten für zwei Wochen ins Gefängnis mußte. Als Amar einmal trotz strengen Verbots erst um 22.30 Uhr heimkam, beendete die Stiefmutter den anschließenden Wortwechsel mit Schlägen.
    Amar und Farid fügten sich den Anordnungen ihres Vaters und befolgten widerwillig die wichtigsten Gebote des Islam, einschließlich des Fastens von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Monat Ramadan. Der islamische Glaube interessierte sie nicht; sie sahen darin nur Äußerlichkeiten

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