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02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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doch, werden sie von ihren Familien verstoßen.) Die französische Gesetzgebung billigt dem Ehemann und der Ehefrau gleiche Rechte zu; die Erziehung und die Sorge um die Zukunft der Kinder liegt in ihrer gemeinsamen Verantwortung. Dieses Ideal einer gemeinsamen elterlichen Sorgepflicht gilt auch dann noch, wenn die Eltern in Scheidung leben. Das algerische Familienrecht, wie es 1984 vom Parlament gebilligt wurde, ist sowohl von patriarchalischen als auch von islamischen Vorstellungen geprägt. Polygamie ist erlaubt, allerdings nur für Männer. Will eine Frau heiraten, braucht
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    sie die Einwilligung eines männlichen Vormundes, und als Ehefrau muß sie sich den Wünschen ihres Mannes fügen.
    Nach geltendem Familienrecht ist es Aufgabe der Mutter, sich um die leiblichen Bedürfnisse der Kinder zu kümmern, während der Vater für die geistigen Belange verantwortlich ist. Er muß die Kinder in den Sitten und Geboten des Islam unterrichten und sie zu guten Moslems machen.
    In Frankreich kollidiert der Versuch der Algerier, den Vorrang des Vaters geltend zu machen, mit einem anderen moslemischen Ideal, nämlich dem gefestigter und harmonischer Familienverhältnisse. Scheich Abbas, das geistliche Oberhaupt der Großen Moschee von Paris, konnte die Welle der elterlichen Kindesentführungen nach Algerien nur beklagen (bis Mitte der achtziger Jahre insgesamt 3000 Fälle) und feststellen: »Daß diese Kinder nicht in der Obhut ihrer Mütter aufwachsen, finde ich zutiefst beunruhigend. Die Mutter ist unersetzlich.
    Niemand kann das bestreiten. Andererseits muß man auch sehen, daß der Vater als Familienoberhaupt die Verantwortung für die Zukunft des Kindes trägt. Das Kind trägt den Namen des Vaters und gehört derselben Religion an.«
    Wird in Algerien eine Ehe geschieden, bleibt der Vater der alleinige gesetzliche Vertreter der Kinder. Zwar kann eine Mutter das Sorgerecht ausüben, aber sie hat keine Entscheidungsgewalt und muß die Kinder in der Religion des Vaters, also islamisch, erziehen. In Frankreich, wo jede dritte Ehe, ob gemischt oder nicht, mit einer Scheidung endet, erlebten Algerier, daß französische Richter das elterliche Sorgerecht - und damit jegliche elterliche Erziehungsgewalt - in der Regel der Mutter zusprachen. Dies brachte die Väter in eine unmögliche Lage. Von der französischen Gesellschaft ausgestoßen und außerdem durch den Verlust der Frau empfindlich getroffen, wandten sie sich mit neuer Inbrunst dem Islam zu. Viele kamen zu der Erkenntnis, daß ihnen nur eine Wahl blieb: ihre Kinder heimlich nach Algerien zu bringen. Dabei hatten sie kein schlechtes Gewissen, denn daheim in Algerien fanden sie moralische Unterstützung durch Islam und Staat.
    So gesehen war Brahim Houache ein repräsentativer Kindesentführer. Ohne Zweifel war er verbittert, und er fühlte sich in Frankreich schlecht behandelt. Als seine Ehe in die Brüche ging, hielt ihn nicht mehr viel zurück.
    Für Brahim war es nur natürlich, daß er sich in die Sicherheit der heimatlichen Kultur zurückzog, in die er nun sogar noch tiefer eingebunden war als vor seinem Weggang, und daß er die beiden Jungen mitnahm, für die er sich verantwortlich fühlte.
    Für Amar und Farid konnte es jedoch keine glückliche Anpassung an ihr neues Leben in Algerien geben. Selbst unter den günstigsten Umständen wäre ihnen der Wechsel nicht leichtgefallen. Alles war fremd für sie: die Sprache, das traditionelle Gewand (einschließlich der Kopfbedeckung für den Schulbesuch), die Religion, das soziale Leben. Die einzigen unverschleierten weiblichen Gesichter, die sie hier sahen, gehörten ihrer Großmutter und ihren Tanten.
    Und die Umstände, unter denen sie nach Algerien gekommen waren, waren alles andere als günstig. Die Jungen verloren nie das Gefühl, verschleppt worden zu sein. Sie klammerten sich weiterhin an die Hoffnung, irgendwann, und sei es nach Jahren, aus Algerien fliehen zu können. Ma-rie-Anne kam fast alle sechs Monate zu Besuch, und jedes-mal hofften die Kinder, mit ihr nach Frankreich zurückkehren zu können. Warum sollten sie sich einer Umgebung anpassen, die sie als vorübergehend betrachteten?
    Amar und Farid wurde ihre Andersartigkeit täglich vor Augen geführt. In der Schule hatte der Rektor, der mit ihrem Vater verwandt war, ein strenges Auge auf sie. Obwohl sie von ihren Klassenkameraden akzeptiert wurden,
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    waren sie doch »die von jenseits des Meeres« - Fremde, keine Einheimischen. Vom Arabischen

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