02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
drohte in der Golf-region ein Krieg, und man bat mich, Mariann einen Rat zu geben. Die Entführung ihrer Kinder hatte ihr jegliche Freude am Leben geraubt. Für mich hätte es in dieser Situation nur eine Lösung gegeben: Es wäre zwar nicht einfach, und Mariann hatte keine Garantie, jemals wieder aus dem Irak herauszukommen, aber wenn Mahtab dort drüben gewesen wäre, würde ich mein Land verlassen haben, um bei ihr zu sein. Trotz der Aufregung um die bevorstehende Feier konnte ich die vielen tausend Mütter und Väter nicht vergessen, deren Kinder vom anderen Elternteil ins Ausland entführt worden sind, ebensowenig wie die vielen tausend Kinder, denen dieses schreckliche Schicksal widerfährt. Allein in den Vereinigten Staaten werden dem Außenministerium im Jahr über 400 Fälle gemeldet.
Die Vorbereitungen gingen weiter. Inmitten des ganzen Rummels - ich versuchte obendrein, mein Haus nach einem Umbau wieder in Ordnung zu bringen - überraschten mich meine Söhne mit der Nachricht, daß sie die Premiere nicht besuchen wollten. Ich war davon ausgegangen, daß sie an 329
diesem Abend zusammen mit Mahtab und mir als Teil der Familie dabeisein würden. Als ich fragte, ob sie andere Pläne hätten, zeigten sich beide sehr kurz angebunden, und ich spürte ihr Unbehagen. Sie waren mit den traumatischen Erlebnissen unserer Familie nicht so leicht fertig geworden wie Mahtab. Statt ihre Gefühle offen zum Ausdruck zu bringen, hatten sie das Thema verdrängt. Genauso hatte ich früher auf seelischen Kummer oder Konflikte reagiert. Sie hatten Nicht ohne meine Tochter nicht gelesen und waren jeglicher Diskussion über Mahtabs und meinen Aufenthalt im Iran ausgewichen.
»Mom, du verstehst uns nicht«, sagte John mit Tränen in den Augen. »Als du da drüben warst, konnte ich abends nicht einschlafen, weil ich nicht wußte, ob du noch am Leben bist.« Wir weinten alle drei, und Joe sagte: »Wir wußten nicht, ob du jemals wieder zurückkommst.«
Ich hatte nie bezweifelt, daß Joe und John mehr unter dieser ganzen Tortur gelitten hatten als Mahtab und ich, daß die Ungewißheit ihre größte Qual gewesen war. Im Iran hatte ich die schlimmste Prüfung durchmachen müssen, als Mahtab und ich getrennt waren. Die Ungewißheit bereitete mir größere Schmerzen als Moodys härteste Schläge.
Schließlich besuchten sowohl Joe als auch John die Premiere.
Bei dieser Gelegenheit stießen Freunde aus Texas, New York, Kalifornien und West Virginia zu unserer Familie und unseren einheimischen Freunden, und ich konnte meine Aufregung mit den Menschen teilen, die uns seit unserer Rückkehr aus dem Iran so tatkräftig unterstützt hatten.
Für Mahtab war es der Höhepunkt, als Sheila und ihre Eltern aus Kalifornien eintrafen. Sheila ist ein schönes Mädchen, ein lieber Mensch und eine Entertainerin obendrein -vor und hinter der Kamera. Am Vorabend der Premiere hatten wir einige Gäste zu einem persischen Abendessen einge-330
laden. Michael hielt eine kurze, rührende und nachdenklich stimmende Rede auf Mahtab, Sheila und mich, die Heldinnen dieser Geschichte. Nachdem wir uns zum Essen hingesetzt hatten, wurde unsere Aufmerksamkeit nochmals beansprucht: Sheila, die im Schneidersitz vor dem Sofre, dem persischen Tischtuch, auf dem Boden saß, schlug plötzlich mit der Gabel an ihr Glas. Sie brachte einen herzlichen Toast aus, der alle zutiefst beeindruckte. Als ich ihren Vater anschaute, strömten ihm Tränen über das Gesicht. Zwischen Mahtab und Sheila entwickelte sich eine herzliche Freundschaft, die sicher noch viele Jahre bestehen wird.
Am 5. Januar 1991, am Nachmittag vor der Premiere, kamen Hunderte von Freunden und Angehörigen zu einer Cocktailparty zu mir nach Hause. Mahtabs drei beste Schulfreundinnen seit der ersten Klasse - Angie, Jamie und Cathy - waren etwas eifersüchtig, weil sie an diesem Tag Mahtabs Aufmerksamkeit mit den anderen Gästen und dem Fernsehteam von Entertainment Tonight teilen mußten.
Zu diesem Nachmittagsempfang erschien auch Christy Khan mit ihrem jüngsten Sohn Eric, ihren Eltern und einigen anderen Verwandten. Ich wußte, daß Christy nicht in der Lage gewesen war, Nicht ohne meine Tochter ganz bis zum Ende zu lesen, weil es sie zu sehr aufwühlte. (Sie hatte das Buch schon einmal gekauft, bevor ihre Söhne entführt wurden, aber ihr Mann hatte es sofort weggeworfen.) Obwohl mich die vielen Blitzlichter und Fernsehteams sehr ablenkten, tat mir das Herz weh, wenn ich an Johnathan und Adam dachte,
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