02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Mahtab 326
und ich waren zwar aufgeregt bei dem Gedanken, daß wir unser Leben gleich über die Leinwand flimmern sehen würden, aber wir hätten nicht mehr Beistand haben können: Ar-nie, Michael, dessen Partnerin Sally und seine Stieftochter Holly, die wir 1988 in Paris kennengelernt hatten, wo Mah-tab gleich mit ihr Freundschaft schloß, alle waren da, um uns zu unterstützen. Mahtab hatte sich vorher ausdrücklich erkundigt, ob auch Holly kommen könne.
Obwohl wir den Dreharbeiten beigewohnt hatten, war dies unsere erste Gelegenheit, den Film in voller Länge zu sehen. Schon recht früh, während der Szene, in der Moody mir eröffnet, daß er uns nicht erlauben werde, den Iran wieder zu verlassen, fing ich an zu weinen. Ich wußte nicht, ob ich in der Lage sein würde, mir den Rest des Films anzusehen. Ich hatte damals meinen Mann verloren, der bis dahin mein bester Freund gewesen war, und Mahtab hatte ihren Vater verloren, vom Abbruch des Kontakts zu meiner Familie in den Vereinigten Staaten ganz zu schweigen.
Immer wieder blickte ich Mahtab an, die sich erstaunlich gut hielt. Plötzlich machte ich mir Sorgen, weil sie so unbeteiligt dasaß. Ließ sich ihre Ruhe dadurch erklären, daß Alfred so ganz anders aussah als ihr Vater? Doch schließlich konnte Mahtab ihre Gefühle nicht mehr verbergen. Während der Szene, in der Moody ihr sagt, daß ich den Iran verlassen und sie mich nie Wiedersehen würde, begann sie zu weinen und zu zittern. Ich nahm ihre Hand, wollte aber nicht, daß sie ihre Gefühle unterdrückte. Wenn sie weinen mußte, sollte sie ihren Emotionen freien Lauf lassen dürfen. Erst als sie immer stärker zitterte, überlegte ich, ob wir hinausgehen sollten.
Diese Szene rief mir einen Tag in Erinnerung, den ich nie vergessen werde. Mahtab war in unserem Haus in Teheran zu Moody ins Büro gegangen. Als sie wieder herauskam, lag ein Ausdruck von Haß und tiefem Schmerz auf ihrem Ge-327
sicht. Bitter schaute sie mich an und rief: »Du willst mich verlassen!« Ich versuchte, ihr zu erklären, daß das nicht wahr sei, daß ihr Vater mich zur Abreise zwingen wolle, daß ich den Iran aber nicht ohne sie verlassen würde.
Jetzt, fünf Jahre später, zeigte sich, daß Mahtab immer noch Fragen zu jenem Tag im Iran gehabt hatte, Fragen, die durch den Film beantwortet wurden. Als der Film beendet war, sah sie zu mir auf, lächelte mich durch ihre Tränen an und sagte einfach: »Danke, Mom.«
Ich hatte zwar nie ernsthaft daran gezweifelt, das Richtige getan zu haben, aber dieses Lächeln bestätigte es mir noch einmal. Dieser Augenblick wog alles auf, selbst wenn der Film ein totaler Mißerfolg werden sollte.
Am folgenden Tag wollte ich Mahtab ein Kleid für die Premiere kaufen. Als sie aus der Umkleidekabine kam, merkte ich plötzlich, daß sie nicht mehr das kleine Mädchen war, das entschlossen den Weg durch die Berge in die Freiheit gewagt hatte. Sie war jetzt eine schöne junge Dame, die durch diese Erfahrung an Charakterstärke gewonnen hatte. Ich war sehr stolz darauf, diese junge Dame meine Tochter nennen zu dürfen.
Ich wollte von Anfang an, daß die Premiere in meiner ländlichen Heimat in Michigan stattfand. Ich bin immer stolz auf meine Herkunft aus dieser Gegend gewesen. Meine Familie und die meisten meiner Freunde wohnen noch heute dort. Ich wollte keine glanzvolle Premiere in Los Angeles oder New York, an der nur wenige der Menschen, die mir nahestanden, teilnehmen konnten.
Als eine örtliche Dienstleistungsorganisation anbot, gegebenenfalls bei der Ausrichtung der Premiere mitzuhelfen, wagte ich es, MGM darauf anzusprechen. Beim Studio wünschte man jedoch ein ganz besonderes Ereignis und bezweifelte, daß die Premiere in einer Kleinstadt einem Film 328
mit so bekannten Stars wie Sally Field und Alfred Molina gerecht werden würde.
Aber nachdem der Werbeleiter des Studios die Organisation besucht hatte, war man von den Vorbereitungen sehr beeindruckt. Die geplante Premiere würde den Stolz der ganzen Bevölkerung auf ihre Heimat wecken.
Angesichts der wachsenden politischen Unruhen jener Tage am Persischen Golf und meiner besonderen Beziehung zu diesem Teil der Welt begann die Publicity für den Film, bevor ich damit gerechnet hatte. Plötzlich wollten mich alle Fernseh- und Radiostationen der Umgebung bei mir zu Hause interviewen.
CNN schickte Mariann Saieed, die ich im November in unserem Workshop kennengelernt hatte und deren Kinder in den Irak entführt worden waren. Jetzt
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