02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
die immer noch in Pakistan waren. Christy konnte sich nicht überwinden, sich den Film anzusehen. Schon der Anblick des Werbeplakats - auf dem zu sehen war, wie Sally Field, Inbegriff der beherzten Mutter, die kleine Mahtab vor dem Hintergrund einer türkischen Stadt in die Freiheit trägt - hätte sie fast aus dem Raum getrieben.
»Das zerriß mir das Herz«, erklärte Christy später. »Sally
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Fields Gesicht drückte alles aus, was ich fühlte. Ich erinnerte mich, wie mir die Kinder aus den Armen gerissen wurden Ich wollte während des Jahres in Pakistan eigentlich nur eines: mit den Kindern wegrennen und alles hinter mich bringen.«
Ich teilte Christys Schmerz und hoffte erneut, daß der Film aufklärend wirken und helfen würde, weitere Kindesentführungen zu verhindern.
Es war ein anstrengender Tag für mich. Zur Premiere waren tausend Menschen gekommen, und sie nahmen den Film mit großer Begeisterung auf. Leider konnte der Mensch, der für alles verantwortlich war und der so stolz auf uns gewesen wäre, nicht dabeisein: mein Vater. Ihm verdanke ich meine Entschlossenheit und die Überzeugung: »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.« Obwohl ich ihn an jenem Tag sehr vermißte, spürte ich, daß er im Geiste unter uns war.
Früh am nächsten Morgen brach ich nach Kalifornien auf, um den Film dort vorzustellen. Als ich später zu Hause anrief, fragte ich Mahtab: »Hat der Film deinen Freundinnen gefallen?« Sie erwiderte: »Sie fanden die Fahrt im Auto toll.« Ihre Freundinnen kannten sie unter einem anderen Namen, und Sheila spielte die Rolle eines Mädchens, das fünf Jahre jünger war. Anscheinend sahen die Freundinnen keine Verbindung zwischen meiner Tochter und dem Mädchen im Film.
Drei Tage nach der Premiere flogen Sally und ich zusammen nach Chicago, wo wir zur Oprah-Winfrey-Show eingeladen waren. Sally behandelte mich wie eine alte Freundin. Sie redete während des Fluges ununterbrochen, und ich bekam sämtlichen Klatsch aus Hollywood zu hören. Sally war einmal mit einem Flugzeug abgestürzt.
Ihre Angst vor dem Fliegen überwand sie jetzt, indem sie in einem fort redete.
Oprah war übrigens sehr nett zu mir, sehr offen und
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herzlich. Sie kam in die Garderobe und sagte, sie habe unseren Film am Abend vorher gesehen. Obwohl sie meine Geschichte seit dem ersten Interview mit Barbara Walters verfolgt hatte und wußte, daß ich am nächsten Tag in ihrer Show auftreten würde, hatte sie den Film kaum durchstehen können. Sie fürchtete ständig, daß uns die Flucht aus dem Iran nicht gelingen würde. Oprah hatte der Film wirklich sehr gut gefallen, und sie investierte ungeheuer viel Energie in die Show.
Andere vertraten eine weniger gute Meinung.
Ich hatte zwar eine gewisse Kritik erwartet, aber dennoch war ich schockiert über Roger Eberts beißenden Kommentar. Eberts Rezension wurde am 5. Januar im ganzen Land gesendet - am Tag der Premiere in Michigan und eine Woche vor der landesweiten Freigabe des Films. Er behauptete, der Film habe eine »rassistische«
Tendenz - genau das, was alle, die an dem Film beteiligt waren, hatten vermeiden wollen.
Als Bill Hoffer und ich unser Buch schrieben, wollten wir ganz einfach nur schildern, was mir zugestoßen war.
Wir hatten uns keine Gedanken darüber gemacht, wie unsere Leser reagieren würden, und nur wenige Kritiker warfen uns vor, wir seien den Iranern gegenüber unfair gewesen.
Was den Film betrifft, so war uns das Problem der Ausgewogenheit durchaus bewußt, und wir milderten das Drehbuch, auch wenn es dabei an Farbe verlor. Ich erklärte den Produzenten und dem Regisseur von Anfang an, das Publikum dürfe nach dem Film auf keinen Fall glauben, alle Iraner seien so wie Moodys Angehörige.
Deshalb verringerten wir zum Beispiel die Anzahl der Szenen, in denen Moody uns schlägt. Wir legten außerdem Wert darauf, einige mitfühlende Iraner zu zeigen: etwa Hamid, den hilfsbereiten Ladenbesitzer, oder den selbstlosen Amahl, einen außerge-Wöhnlichen Menschen, der uns außer Landes schaffte.
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Unsere Bemühungen um Ausgewogenheit schlugen sich in den voreiligen Urteilen der Filmkritiker überhaupt nicht nieder. Roger Ebert hatte mit seiner ersten Kritik den Ton angegeben, und seine Anschuldigungen tauchten in vielen Rezensionen aus aller Welt auf. (Dabei war Ebert in seiner ungekürzten Rezension, die einige Tage später in seiner Fernsehsendung ausgestrahlt wurde, weitaus moderater.) Der Film hatte einige unglückliche Mängel, vor allem
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