02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
die Schmerzen bei der Geburt ertragen müssen. Du trägst die Kinder unter deinem Herzen, du nährst sie, und du paßt auf sie auf. Du bist die beste Mutter der Welt. Ich könnte viele Frauen haben, aber keine könnte eine bessere Mutter sein.«
Es war ein melodramatisches Versprechen, aber es gab Christy ein Gefühl der Sicherheit. Selbst Riaz würde einen Schwur bei seinem Gott nicht leichtfertig brechen. Und Christy wollte in diesem Augenblick einfach vergessen, daß sie jemanden geheiratet hatte, dem nichts heilig war.
Anfang 1988 sprach Riaz ständig von seiner Familie und von Pakistan - ein auffälliger Sinneswandel für einen Mann, der seine Heimat so lange verunglimpft hatte. Im März, einen Monat vor Christys Niederkunft, buchte er für sich
einen Flug nach Pakistan. Vor der Fahrt zum Flugha-
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fen überkam Christy erneut Angst. Vielleicht, meinte sie, sei es besser, John zu Hause bei ihren Eltern zu lassen.
Riaz schaute sie gekränkt an. »Was, glaubst du, werde ich tun? Ihn dir auf dem Flughafen aus den Armen reißen und wegrennen? Christy, das würde ich nie tun. Ein Kind gehört zur Mutter. Ich könnte ihm nie das geben, was du ihm gibst.«
Obwohl Christy die ständigen Reibereien mit Riaz nicht vermißte, hoffte sie, daß er rechtzeitig zur Geburt des Kindes zurück sein würde. Aber Riaz wollte seinen Aufenthalt nicht vorzeitig abbrechen; er hatte nicht das Bedürfnis, bei ihr zu sein, wenn die Wehen einsetzten. »Ich habe dich so tief verletzt, daß ich es nicht ertragen kann, dich leiden zu sehen«, erklärte er.
Adam wurde am 6. April 1988 geboren. Riaz kam einen Monat später zurück. Er betrachtete das Baby mißtrauisch und sagte: »Das ist nicht mein Sohn. Ich habe braune Augen und du auch. Wie kann unser Sohn dann blaue Augen haben?« Christy machte ihn darauf aufmerksam, daß sein Bruder und Großvater blaue Augen hatten, aber Riaz blieb fest. Adam mußte einen anderen Vater haben. Von diesem Moment an verhielt er sich dem Kind gegenüber ablehnend.
Obwohl Riaz nicht mehr zu physischer Gewalt griff, wußte Christy, daß etwas nicht in Ordnung war. Ihr Mann nahm keine Medikamente mehr und wurde immer depressiver. Schon seit langem fand er Trost im Alkohol, und jetzt trank er immer mehr. Als Christy nur zwei Monate nach Adams Geburt wieder schwanger wurde, entsetzte sich ihr Mann über den Gedanken, noch ein hungriges Maul ernähren zu müssen. »Ich halte das nicht mehr aus«, klagte er.
Wenn Riaz mit seinen Verwandten sprach, die jetzt ziemlich regelmäßig anriefen und ihn zu einem weiteren Besuch drängten, schien er dagegen glücklich und voller Tatkraft. »Ich muß wieder zurück«, erklärte er. Christy schlug vor, im
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kommenden Frühjahr, nach der Geburt des Babys im April, mit der ganzen Familie zu reisen. Die mit heftigen Krämp-fen verbundene letzte Schwangerschaft war problematisch gewesen, und Christy war nicht in der Verfassung zu reisen. »Ich weiß nicht«, meinte Riaz. »Ich muß erst wieder einen klaren Kopf bekommen.« Er wollte im März fahren, wie im Jahr zuvor.
Als im September der Mietvertrag auslief, rief der Hausverwalter Christy im Büro an und bat sie, kurz vorbeizukommen und einen neuen Vertrag zu unterschreiben. Riaz habe um einen monatlichen Vertrag gebeten und angedeutet, die Familie werde im Dezember umziehen. Völlig verblüfft rief Christy Riaz an. Er behauptete, der Verwalter habe ihn mißverstanden, er habe lediglich den Beginn des Mietvertrages auf Dezember festlegen wollen.
Als Christy ihren Arbeitskolleginnen im Spätherbst von ihrer geplanten Reise nach Pakistan erzählte, äußerten einige Frauen Bedenken. Sie hatten gerade mein Buch Nicht ohne meine Tochter gelesen und fanden die Geschichte alarmierend. »Er würde die Kinder doch nicht ohne dich mitnehmen, oder?« fragte eine von ihnen.
Nach einem Jahr relativer Ruhe machte Christy sich allerdings in dieser Beziehung keine Sorgen mehr. Sie versuchte, sich Riaz, der in letzter Zeit so gleichgültig gegenüber ihren beiden Söhnen gewesen war, als Kindesentführer vorzustellen, aber es gelang ihr nicht. Wie konnte ein Mann, der nicht einmal eine Windel wechseln konnte, seine Kinder entführen? »Nein«, versicherte sie ihren Kolleginnen, »so etwas würde er nie tun.«
Am Mittwoch, dem 28. Dezember 1988, einem bitterkalten Tag in Michigan, kam Riaz gegen Mittag bei Christy im oüro vorbei. Sie sagte ihm, daß sie sich nicht wohl fühle; sie schlug sich mit einer Erkältung herum und
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