02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
willst«, drängte er, »warum kannst du mich dann nicht hier heiraten? Dann können wir immer Zusammensein.«
Am nächsten Morgen wurde Christy von Riaz geweckt und vor ein Ultimatum gestellt. »Du mußt dich entscheiden«, sagte er. »Entweder du heiratest mich jetzt, oder du kannst ohne mich zurückfahren.« Der Imam (ein islamischer Geistlicher) war bereits eingetroffen. Es galt, keine Zeit zu verlieren, und Christy konnte sich nicht einmal das Gesicht waschen.
In ihrer Verwirrung verdrängte Christy das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Riaz' Verhalten mochte widersprüchlich sein, aber sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Auf dem Weg zum Imam schob sie ihn in einen Nebenraum und sagte: »Ich werde dich heiraten, aber du mußt verstehen, daß ich hier nicht leben kann. Unsere Kinder sollen nicht hier aufwachsen.« Sie hatte in Peshawar zu viele Kinder mit Malaria und Typhus gesehen, sogar in wohlhabenden Familien.
»Natürlich nicht«, meinte Riaz. »Darum habe ich dich ja um diese Heirat gebeten, damit ich nach Amerika zurückkehren darf und wir uns dort eine Existenz aufbauen können.«
Obwohl Christy mit einer Trauung nach islamischem Ri-
tus einverstanden war, gab sie der Familie deutlich zu verstehen daß sie am christlichen Glauben festhalten wollte. »Aber wenn du unseren Bruder heiratest, bist du für uns ebenfalls ein Moslem«, erklärte eine seiner Schwestern. »Wirst du einen islamischen Namen annehmen?«
»Während ich dort war, lernte ich noch eine ganze Menge über den Islam«, erzählte Christy. »Und alles, was ich hörte, war so schön; der Islam ist eine sehr friedliebende Religion. Trotzdem sagte ich ihnen ganz deutlich, daß ich nicht konvertieren wolle. Ich war jedoch bereit, einen islamischen Namen anzunehmen, weil sie mich so leichter akzeptieren konnten.« In der Heiratsurkunde wurde sie als Miryam registriert.
Die Trauung selbst war enttäuschend. Riaz und Christy legten vor zwei Zeugen und einem dritten Mann, der für Christys Vater einsprang, das islamische Ehegelöbnis ab. Der Imam sprach kein Englisch, und Riaz schärfte Christy ein: »Was er dich auch fragt, sag immer nur gi«, was auf Urdu »ja« bedeutet. »Nick nur und lächle und stell keine Fragen.«
Nach der Zeremonie erklärte Riaz, er wolle mit seinen Brüdern zur Feier des Tages auswärts essen.
Traditionsgemäß, fügte er hinzu, seien dabei keine Frauen anwesend -auch Christy nicht. Er werde ihr aber etwas vom Huhn mitbringen.
Christy verbrachte die Hochzeitsnacht allein in ihrem Zimmer. Sie war zwar gekränkt, fand sich aber letztlich mit der Situation ab. »Ich war nicht so naiv zu glauben, man könne Kulturen problemlos vermischen«, sagte sie.
»Ich wußte, daß auf beiden Seiten Zugeständnisse gemacht werden mußten. An jenem Abend gab ich nach, schließlich ging es um nichts Weltbewegendes.«
In den darauffolgenden Tagen wurde ihre Verwirrung aber noch größer. Vor der Hochzeit war Christy immer da-107
beigewesen, wenn Riaz' Freunde zu Besuch kamen. Jetzt wurde sie regelrecht ausgeschlossen. »Du verstehst die Sprache nicht, und sie fühlen sich in deiner Gegenwart unwohl« erklärte Riaz ihr keineswegs freundlich. »Sie sind es nicht gewohnt, daß eine Frau im Zimmer ist.«
Es war, erzählte Christy, »wie die Horrorgeschichte vom Bräutigam, der sich am Tag der Hochzeit völlig verändert. Ich war wütend und verbittert, aber ich wußte, daß mein Aufenthalt bald zu Ende sein würde, und ich wollte nicht mit griesgrämigem Gesicht abfahren. Es war eine Situation, in der man einfach die Zähne zusammenbeißt. Was soll man sonst tun?«
Als sie im August abreiste - die Bearbeitung von Riaz' Visumantrag sollte noch einige Monate dauern -, hielt Christy ihren Mann ganz fest. Sie dachte an die schönen Dinge, die sie gemeinsam erlebt hatten, und sie war sicher, daß zu Hause in Amerika alles wieder wie früher werden würde. Schließlich liebten sie sich doch. Sie würden es schon schaffen.
Vier Monate später, am 24. Dezember 1986, landete Riaz' Maschine in Detroit. Es war ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest - und das erste Mal, daß Riaz seinen kleinen Sohn Johnathan sah. Das Wiedersehen war zärtlich und erregend; Christy hatte das Gefühl, als sei ihre Liebe neu entflammt. Rückblickend meinte sie, diese Zeit sei wohl der Höhepunkt ihrer Ehe gewesen.
Sie mieteten ein Haus in Livonia, nicht weit von Christys Eltern, und Riaz übernahm die zweite Nachtschicht an einer
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