02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Mobil-Tankstelle. Obwohl er keine Schicht versäumte, merkte Christy, daß er sich durch die untergeordnete Arbeit erniedrigt fühlte. Es sei nur eine vorübergehende Arbeit, sagte er, bis er sein Orientteppichgeschäft eröffnen könne.
Riaz war ein fürsorglicher und aufmerksamer Vater, und die ersten Monate verliefen glücklich, wenn auch nicht ohne
Reibereien. Es ärgerte Christy, wenn Riaz sich vor den Leuten um fünf Jahre älter machte oder wenn er gegenüber sei-ner Familie behauptete, die Tankstelle gehöre ihm. Wenn er ihnen die Wahrheit sagte, erklärte er, würden sie ihn nicht mehr respektieren.
»Respektierst du mich?« fragte er Christy ständig.
»Natürlich«, sagte sie. »Solange du hart arbeitest, wen kümmert es da, was du tust?« Riaz schien nie zufrieden.
Nach kurzer Zeit geriet ihre Ehe in eine Krise. Trotz der Kapitalspritzen von Seiten seines Vaters (einmal traf aus Pe-shawar ein Scheck über 10000 Dollar ein) ließ sich Riaz' Traum vom eigenen Teppichgeschäft nicht verwirklichen. Niemand wolle ihm die nötigen Räume vermieten, murrte er; alle hätten Vorurteile gegenüber Ausländern. Er sorgte sich ständig um Geld und drängte Christy, wieder als Anwaltssekretärin zu arbeiten, noch ehe sie sich überhaupt dazu bereit fühlte; schließlich war John erst ein paar Monate alt. Riaz verlor das Interesse an dem Kind und half Christy auch nicht mehr im Haushalt.
»Er sagte, diese Arbeit sei erniedrigend, und er müsse sie nicht tun«, erzählte Christy. »Alles, worüber wir uns einig gewesen waren, jede Abmachung zwischen uns, kehrte er ins völlige Gegenteil um. Er nahm keinerlei Rücksicht mehr, alles war plötzlich anders.«
Christy war von Natur aus entgegenkommend - »allzu entgegenkommend«, meinte sie im nachhinein.
Allmählich jedoch sträubte sie sich gegen die Ungerechtigkeit in ihrer Beziehung. Trotz ständiger Geldsorgen kaufte Riaz seine Kleidung im teuersten Geschäft, speiste ohne Christy in vornehmen Restaurants, kutschierte in großen, angeblich von freunden geliehenen, brandneuen Mietwagen durch die Stadt und kam wiederholt mit einem neuen goldenen Ring am Finger nach Hause, angeblich einem Geschenk seiner Familie.
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Christy hatte keine Ahnung, woher das ganze Geld stammte, sie wußte nur, daß sie und John nichts davon abbekamen. Riaz hatte ein eigenes Bankkonto; von diesem Geld bezahlte er Lebensmittel und Benzin. Christy rackerte sich ab, um Miete und alles andere zu bezahlen, und die Doppelbelastung durch Arbeit und Kind erschöpfte sie. Sie fing an, ihrer Unzufriedenheit Luft zu machen - infolge ihrer unterschiedlichen Arbeitszeiten meist am Telefon -und Riaz gefiel das gar nicht. Sie benehme sich ihm gegenüber »respektlos«. »Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, mache ich dich fertig!« brüllte er eines Abends wütend in den Hörer. Christy war sich nicht sicher, was er meinte, und eine Stunde später rief Riaz zurück, um sich zu entschuldigen: »Ich bin einfach müde, und die finanzielle Belastung macht mir zu schaffen.«
Im Frühjahr hatte Christy eine Fehlgeburt. Völlig verzweifelt rief sie eine Freundin an und suchte bei ihr Trost.
Wenn sie mehr Hilfe im Haushalt gehabt hätte und nicht so lange hätte arbeiten müssen, sagte sie, hätte sie das Baby vermutlich nicht verloren. Riaz hörte das Gespräch mit an und geriet in Rage. Wie konnte Christy es wagen, ihn vor einer anderen Frau zu beleidigen?
Im Juli war Christy wieder schwanger. Sie telefonierte mit ihrer Mutter, und diese flehte sie an, die Arbeit im Büro einzuschränken. »Das kann ich nicht, das können wir uns nicht leisten«, erwiderte Christy. Am nächsten Tag war Riaz wütend. »Warum hast du deiner Mutter gesagt, wir könnten es uns nicht leisten? Jetzt wird sie mich für einen Nichtsnutz halten!« Während er weiter schimpfte, kam Christy ein Verdacht, der sich später bestätigte: Mein Mann hört meine Telefongespräche ab.
Obwohl sie sich in letzter Zeit immer häufiger stritten, hatte Riaz Christy in seiner Wut nie angerührt, und sie hatte die beunruhigende Frage seiner Cousine in Pakistan schon fast vergessen. Um so schockierter war sie, als ihr Mann sie an diesem Abend am Hals packte und würgte, ohne auf ihre erstickten Protestlaute zu achten. Er ließ sie erst los, als sie das Bewußtsein verloren hatte.
»Beim erstenmal faßt man es kaum«, erinnerte sich Christy. »Man kann einfach nicht glauben, daß dieser Mensch so etwas tun würde, auch wenn er noch so
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