02 - Beiss mich, wenn du kannst
grazilen Bogen ihrer linken Augenbraue. Hmmm… echt klasse gewachst.
„Warum wollen Sie das wissen?"
„Ich bin auf der Suche nach Jack. Sie kennen ihn doch, oder?"
Sie musterte mich noch ein paar Sekunden, bevor sie endlich nickte. „Jack ist gerade im Aufenthaltsraum, er holt mir Kaffee."
„Jack holt Ihnen Kaffee? Jack? Jack Marchette?" Wissen Sie, das ist nämlich so.
Mein Bruder liebt Frauen, und er ist offensichtlich auch ziemlich geschickt darin, denn für gewöhnlich steht ihm vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche eine solche Frau zur Verfügung und wartet auf seine Befehle. Nicht umgekehrt.
„Wer sind Sie?", fragte sie mich.
„Ich bin seine ..." Ich dachte kurz darüber nach, ihr die Geschichte von wegen Cousine zu erzählen, aber dabei würde Jack höchstwahrscheinlich nicht mitspielen, da er noch keine Ahnung hatte, in was für einem Schlamassel ich steckte. „Ich bin seine Schwester."
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Sie sind Lil?" Auf mein Nicken hin ergriff sie meine Hand und drückte sie herzlich. „Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Es ist ... toll, Sie endlich persönlich kennenzulernen."
„Sie haben von mir gehört?"
Jetzt nickte sie. „Und ob, Sie Dummerchen. Von Ihnen und Ihren Brüdern.
Jack ist echt verrückt nach Ihnen allen." „Ach ja?"
„Er redet über nichts anderes." „Ach nein?"
„Ja klar. Er ist ein richtiger Familienmensch."
„Ach ja?" Okay, mir war natürlich bewusst, dass ich nichts als einen Haufen schwachsinniger Fragen über die Lippen brachte, aber das war auch einer dieser Momente, die alles im Leben verändern. Meine ganze Familie, so wie ich sie kannte, einschließlich des nervtötenden Bruders, der mich nicht ausstehen konnte, löste sich vor meinen Augen in nichts auf.
„Sein starker Familiensinn ist eines der Dinge, die mich so zu ihm hingezogen haben. Er ist so loyal und fürsorglich und - da ist er ja!"
Ich drehte mich in genau dem Augenblick um, als Mandy auf den Knopf drückte und sich die Tür öffnete. Da stand Jack, eine dampfende Tasse Kaffee in der einen und eine langstielige rote Rose in der anderen Hand.
Vergessen Sie das mit dem Moment, der ein Leben komplett verändert. Das war ein Moment wie aus Akte X.
„Hey, Baby." Er reichte Mandy den Kaffee und die Rose und gab ihr einen ausgedehnten Kuss, der erst endete, als ich mich räusperte. Jack drehte sich um. Seine Miene veränderte sich von verträumt zu verwirrt. „Lil? Was machst du denn hier?"
„Ich werde von den Cops gejagt. Sie glauben, ich habe irgend so einen Kerl in kleine Stücke zerhackt."
Er grinste. „Wirklich lustig, Kleine."
„Nein, ich mein's ernst."
„Lil kann kein Blut sehen." Sobald Jack diese Worte ausgesprochen hatte, brachen Mandy und er in Lachen aus.
„Aber sie ist ein Vampir." Diese Feststellung ließ sie noch lauter lachen.
„Hey, ich meine es todernst." Ich runzelte die Stirn und tippte Jack auf die Schulter. „Hallo?"
„Nee, also wirklich." Jack wischte sich die Tränen aus den Augen. „Warum bist du hier?"
„Ich hab dir doch gerade gesagt, warum ich hier bin. Ich werde gejagt und brauche deine Hilfe."
Jack schüttelte den Kopf, aber Mandy wurde langsam wieder vernünftig. „Ich glaube, sie meint es wirklich ernst, Jack."
„Mord? Das ist das Verrückteste, was ich jemals gehört habe."
„Da sind wir ja schon zwei", erwiderte ich. „Das spielt aber keine Rolle, weil es nämlich wirklich so ist. Ich bin auf der Flucht. Eine Flüchtige. Eine Mordverdächtige." Meine Sicht trübte sich plötzlich und ich blinzelte angestrengt. Hallo? Ich würde jetzt doch bitte nicht anfangen zu flennen. Hier.
Vor Jack. Das letzte Mal, als sich bei mir die Schleusen geöffnet haben, hat er mich ausgelacht. Aber damals war ich fünf und er sieben, und er hatte den Porzellankopf meiner Lieblingspuppe zerdeppert.
Bei der Erinnerung daran trübte sich mein Blick noch mehr. Ich schniefte.
„Also, kannst du mir helfen?" „Was brauchst du?"
Kein Gelächter. Eindeutig ein gutes Zeichen. Ich schluckte. „Ich brauche Bargeld. Jede Menge Bargeld."
Während sich Jack auf den Weg zum Geldautomaten machte, plauderte ich mit Mandy, die eine Leiche entkleidete und auf deren vorübergehende Lagerung vorbereitete - bis zum Termin der Autopsie.
Das war jetzt wirklich gruselig, und die Zeit ging einfach nicht rum. Der Minutenzeiger schien am Zifferblatt festzukleben, während Mandy Reißverschlüsse öffnete oder schloss, und
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