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02 - Der 'Mann in Weiß'

02 - Der 'Mann in Weiß'

Titel: 02 - Der 'Mann in Weiß' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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konnte. Die hundert Fuß Tiefe wiesen wohl darauf hin, dass er das U-Boot besteigen musste.
    Ging eines um Punkt 15 Uhr auf Tauchfahrt? Oder erreichte es um 15 Uhr die hundert Fuß Tiefe? Das konnte er nur vor Ort klären.
    Tom spazierte zum Hafen und sah sich die Aushänge bei »Atlantis Adventures« an. Das Geschäft boomte anscheinend, denn es hatte sich bereits eine lange Schlange vor dem Ticketschalter gebildet. Tom studierte den leicht zerfledderten Fahrplan. Es gab eine Tour, die um 14:45 Uhr startete; die nächste erst wieder eine Stunde später. Da konnte er sich schwerlich vertun. Tom reihte sich in die Schlange ein und musste fast eine halbe Stunde warten. Die Mexikanerin am Schalter schien alle Zeit der Welt zu haben. Als er endlich dran war, erlebte er eine herbe Enttäuschung.
    »Tut mir leid, Señor, aber für diese Fahrt gibt es keine Tickets mehr. Alles restlos ausgebucht, Sie verstehen?«, beschied sie ihm marktschreierisch. »Unsere Tauchfahrten sind sehr beliebt. Aber buchen Sie doch einfach die nächste Fahrt; die wunderbaren Korallenriffe sind auch eine Stunde später noch dieselben.«
    Plötzlich hatte Tom eine Idee. »Sagen Sie, ist vielleicht bereits ein Ticket für mich gebucht worden? Auf den Namen Ericson?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Wären Sie so lieb, mal nachzuschauen?« Er schob einen Zehn-Peso-Schein durch die kleine Schalterluke.
    »Na gut, weil Sie es sind, Señor Erkson.« Die Frau nahm den Schein und ließ ihn blitzschnell unter dem Tisch verschwinden.
    »Ericson. Mit c.«
    Die Frau schaute im Computer nach. Auch dabei legte sie keinerlei unnötige Hast an den Tag. »Ah ja, tatsächlich, Sie haben recht, Señor Ericson«, sagte sie schließlich. »Das hätten Sie auch gleich sagen können. Ich stelle Ihnen das Ticket aus.«
    »Wer hat es denn für mich gebucht?«
    Die Frau grinste breit. »Na, Sie sind ja gut. Das weiß ich doch nicht. Haben Sie vielleicht so eine Art Blind Date auf dem Boot?«
    »So was in der Art, ja.«
    »Dann viel Spaß. Hoffentlich klappt's.« Sie schob Tom das Ticket durch und spulte dann ihren einstudierten Spruch ab: »Sie müssen um fünfzehn Minuten nach zwei wieder hier sein, direkt hier, verstehen Sie? Unser Shuttle-Bus wird Sie zum U-Boot bringen. Wir bieten Ihnen eine Tour, die Sie Ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden.«
     
    Tom war pünktlich da. Zusammen mit rund fünfzig anderen Menschen aus aller Welt enterte er einen altersschwachen Bus, der nur noch vom Rost und den Gebeten des Fahrers zusammengehalten wurde. Der lenkte das Vehikel auf die Küstenstraße und fuhr rund fünf Kilometer südlich. Tom hoffte, dass das U-Boot in besserem Zustand war.
    Ein Bootsanleger kam in Sicht. Er teilte seine Einsamkeit mit einem Bretterschuppen, auf dem bunt und verschnörkelt der »Atlantis Adventures«-Schriftzug prangte. Am Anleger dümpelte ein größerer Kutter, ebenfalls mit dem Firmenlogo versehen.
    Die lärmenden und durcheinander schnatternden Tauchbootfahrer in spe wurden von zwei Fotografen empfangen. Das junge Pärchen mit den aufgemotzten Kameras, die Tom eher an Artilleriegeschütze erinnerten, stellte die einzelnen Personen und Familien vor dem Kutter in Positur und schoss sie ab. Die Bilder könnten bei der Rückfahrt abgeholt werden. Zum Vorzugspreis von nur zwölf Dollar, hieß es. »Ein einmaliges Andenken, auf das Sie keinesfalls verzichten sollten.«
    Dann erschien der Kapitän, der sogar halbwegs vernünftig aussah, und führte die Meute auf den Kutter. Gleich darauf legte er ab und tuckerte die Küste entlang. An der Reling drängten sich die Besucher und hielten Ausschau nach dem U-Boot.
    Plötzlich begann sich die ruhig daliegende, azurblaue See ein Stück weiter draußen zu wellen, direkt bei einer hölzernen Schwimmplattform. Gleich darauf durchbrach der Turm der ATLANTIS unter vielfältigen »Ahs« und »Ohs« die Wasseroberfläche. Tom musste zugeben, dass das Ganze ziemlich effektvoll in Szene gesetzt war. Die Kameras klickten. Der Kutter tuckerte zu der Plattform und ging längsseits. Auf der anderen Seite dockte soeben das U-Boot an, das mit über fünfzig Metern Länge viel größer war, als Tom es sich vorgestellt hatte. Nun stiegen die Passagiere um. Über zwei schmale, steile Treppen drängten sie sich ins Bootsinnere.
    Tom gehörte zu den Letzten, die an Bord gingen. Es war eng und stickig im Bootsbauch. Links und rechts zogen sich Bullaugen an den Seitenwänden entlang. Auf den beiden Sitzbankreihen

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