02 - Der 'Mann in Weiß'
Aber das wisst ihr ganz genau. Und ihr solltet besser mit der Wahrheit herausrücken. Sonst passiert euch allen… das hier.«
Plötzlich hatte Pauahtun ein Messer in der Hand. Die Klinge war nicht allzu groß, aber seltsam unscharf, als würde sie rasend schnell vibrieren. Er jagte seinen Kampfgefährten von Gandarillas Brustkorb und setzte sich selber dorthin. Dann begann er dem schrill schreienden und sich windenden Mann erste Schnitte zuzufügen. Das Blut spritzte meterweit, als ihn Pauahtun aufs Schrecklichste misshandelte. Dabei bemerkten die Grabräuber, dass das Messer selbst die Rippen wie Butter durchschnitt.
Irgendwann hatte es Andrés Gandarilla überstanden. Sein Brustkorb war total zerschnitten, sein Kopf säuberlich abgetrennt. Pauahtun bog die Rippen des Toten vollends auseinander, fasste in den Brustkorb und riss das Herz heraus. Dann warf er es achtlos beiseite und ließ die Leiche liegen.
Die Frau war die Nächste. Auch sie starb eines grausamen Todes, denn der Bauch wurde ihr aufgeschlitzt, sodass sie langsam verblutete. Schräg an eine Staukiste gelehnt, blieb sie liegen. Die anderen flehten und bettelten, aber zwei weitere Männer mussten dran glauben.
»Mierda!«, brüllte Garciamendez mit weit aufgerissenen Augen. »Wir wissen wirklich nichts von diesen Dingern! Das ist ein beschissener Irrtum, ihr verwechselt uns!«
»Wir verwechseln euch nicht«, gab Pauahtun ruhig zurück. »Der Anruf, mit dem Espinosa die kleinen Feuergötter angeboten wurden, erfolgte von Gandarillas Apparat aus. Wir haben Wind von der Sache bekommen, als Espinosa sie Sammlern zum Kauf angeboten hat. Unter der Folter hat er uns das genaue Datum und die Uhrzeit des Anrufs genannt. Und den Ort, wo wir euch finden können. O ja, Schmerzen treiben die Menschen zu jedem Geständnis.«
Garciamendez schluchzte. »Gandarilla wäre also der Einzige, der den Scheiß aufklären könnte, und den habt ihr als Ersten abgemurkst. Wir wissen wirklich nichts! Wir sind seit zwei Wochen hier oben, wie sollen wir ihm da was angeboten haben?«
Der nächste Grabräuber segnete das Zeitliche.
»Interessiert mich nicht«, sagte Pauahtun leidenschaftslos. »Ich will nur wissen, woher die kleinen Feuergötter stammen, und ihr werdet es mir sagen.«
»Vielleicht hat Gandarilla sie ja heimlich gefunden, ganz ohne unser Wissen«, brüllte Garciamendez verzweifelt.
»Nicht sehr wahrscheinlich. Espinosa sagte, du würdest jeden umlegen, der Geschäfte an dir vorbei macht.«
»Scheiße, ja, das stimmt«, heulte Garciamendez. »Aber genauso stimmt es, dass wir nichts über diese Figuren wissen.«
»Das wäre bedauerlich.« Pauahtun schüttelte betrübt den Kopf. »Dann würdet ihr alle ganz umsonst sterben.«
Am Abend waren elf Leute tot. Garciamendez war als Letzter gestorben. Die Leichen lagen zwischen den Häusern, der Staub war so blutgetränkt wie einst bei den alten Maya am Fuße der Opferpyramiden.
Plötzlich tauchte ihr Herr auf, der Mann in Weiß. Mit auf dem Rücken verschränkten Armen musterte er das Massaker und wirkte dabei so emotionslos wie immer. »Wart ihr erfolgreich?«, fragte er Pauahtun.
»Leider nicht, Herr. Ich befürchte, dass sie tatsächlich nichts von den kleinen Feuergöttern wussten. Gandarilla muss auf eigene Faust gehandelt haben. Unglücklicherweise haben wir ihn als Ersten umgebracht.« Pauahtun senkte den Kopf. »Ein unverzeihlicher Fehler, Herr. Ich erwarte und erleide jede Strafe, die du mir zugedacht hast.«
»Wir suchen weiter«, sagte der Mann in Weiß stattdessen.
***
Gegenwart, 17. Oktober 2011, Cozumel
Tom erwachte mit einem leichten Kater. Er rieb sich den Schädel, stieg aus dem Bett und ging zum Badezimmer, das direkt neben der Eingangstür lag. Plötzlich stutzte er. Auf dem Boden lag ein Zettel, den er dort garantiert nicht verloren hatte. Also war er wohl unter der Tür durchgeschoben worden!
Toms Kater war mit einem Schlag weg. Er ging in die Knie und hob den Zettel auf.
15 Uhr. Atlantis Adventures Cozumel, 100 Fuß Tiefe.
Tom nickte. Die ersehnte Nachricht war schneller gekommen als erwartet. Er putzte sich die Zähne und sprang unter die Dusche. Dann frühstückte er.
»Atlantis Adventures« war ihm durchaus ein Begriff. Er hatte Werbung dafür bereits in Playa del Carmen und dann das Ticketbüro mit der reißerischen Fassadenreklame bei der Einfahrt in den Hafen von San Miguel gesehen. Dabei handelte es sich um ein Touristen-U-Boot, mit dem die Unterwasserwelt erkundet werden
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