02 - Die Gefangene des Wikingers
um die ihren, Sie drehte sich um und sah Mergwins Augen auf sich ruhen. »Alles wird gut gehen«, beruhigte er sie.
Sie nickte und hielt seine Hand fest. Sie dachte an sein hohes Alter und fragte sich, warum er sich wohl dazu entschlossen hatte, diese Reise zu unternehmen.
Die See war stürmisch, sie wurden ständig herumgeworfen, der kalte Wind zerrte an Rhiannons Gesicht und Haaren und kühlte sie völlig aus.
Stunden später verließ Eric seinen Platz am Bug des Drachenschiffs und ging zu ihr nach hinten. »Geht es dir dieses Mal besser?« fragte er. Es war eine höfliche Frage, auch wenn sie den Eindruck von Distanziertheit machte.
»Es geht mir gut, Mylord. Ich bin ein hervorragender Matrose, wenn ich nicht gerade schwanger bin.«
»Nun, wenn du daran gedacht hättest mich davon zu unterrichten, dass du schwanger bist, Mylady, wäre ich vielleicht besser darauf vorbereitet gewesen, die Reise für dich bequemer zu machen. «
Er wartete ihre Antwort nicht ab. Er drehte sich um, ging wieder zum Bug und nahm abermals seinen Wachposten ein. Sie warf Mergwin einen Blick zu und sah, dass er verstohlen lächelte. Doch dann stellte sie fest, dass das Lächeln seine Augen nicht erreichte und machte sich Sorgen. »Seid Ihr krank?« fragte sie ihn ängstlich.
Er schüttelte den Kopf. »Nur ein bisschen traurig, das ist alles.«
»Warum?«
»Ich werde Irland nie wiedersehen«, sagte er sanft zu ihr. Ein Frösteln überlief sie. »Das dürft Ihr nicht sagen!« erwiderte sie. »Bitte, Ihr dürft nicht … «
»Die Wahrheit sagen? Ich bin ein sehr alter Mann, Rhiannon. Sehr alt. «
»Und ich brauche Euch!« beharrte sie.
»Und ich werde da sein, solange du mich brauchst«, versicherte er ihr. Dann wechselte er schnell das Thema. »Manchmal ist er sehr empfindlich, weißt du. «
»Eric?«
Mergwin nickte. »Ich frage mich nur, warum er so angespannt ist, dass er wie ein gefangener Wolf auf seinem Schiff auf und ab tigert.«
»Das kommt daher, weil er ein arroganter Wikinger ist«, antwortete Rhiannon schnell.
»Ein einsamer Wolf, der hin und her läuft. Wie du weißt, Mylady, vermählen sich Wölfe für das ganze Leben. Und wenn ein Wolf seine Gefährtin verliert, läuft er durch die Wälder und heult seinen Schmerz und seine Wut darüber laut hinaus. «
»Aber liebt denn ein Wolf seine Gefährtin?«
Mergwins Lächeln vertiefte sich, und seine uralten Augen schienen wie Silber zu glänzen. »Ich habe diesen Wolf schon einmal verliebt erlebt - vor langer Zeit an einer weit entfernten Küste. Sie wurde getötet, und ich habe gesehen, wie er gelitten hat und ruhelos umher gelaufen ist, bis - du gekommen bist. Aber das war etwas anderes, weißt du. Es war eine andere Zeit und ein anderes Leben. Ich glaube nicht, dass er bis heute die volle Bedeutung dieser Zeit begriffen hat. Du hältst den Wolf in deinen Händen, Rhiannon. Das musst du dir immer vor Augen halten. «
»Er zieht wieder in den Krieg«, sagte sie leise. »Er wird immer in irgendeinen Krieg ziehen. «
»Die Ruhe kommt erst nach dem, Sturm. Das wird Alfreds letzte große Schlacht sein, und er wird siegen und als einziger König in die Geschichte eingehen, den die Engländer >den Großen< nennen werden.«
»Aber wird er den Sturm überleben?« fragte Rhiannon.
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. Der Wind blies ihnen heftig ins Gesicht und zauste Mergwins Haar und Bart. Garth, der vor sich hingewimmert hatte, beruhigte sich, und sogar die Rufe der Männer und das Flattern der Segel schien allmählich leiser und gedämpfter zu klingen.
»Du musst ihn überleben!« war alles, was er ihr erwiderte.
Dann erhob sich auch Mergwin und schlenderte zum Bug. Allein gelassen drückte Rhiannon Garth ganz dicht an ihr Herz und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das in ihrem Inneren begonnen hatte.
Die Überfahrt war erfolgreich, und bei Einbruch der Dunkelheit konnte Rhiannon wieder den heimatlichen Boden von Wessex betreten. Adela war zu ihrer Begrüßung gekommen, und in ihrem Gemach erwartete sie vor dem Feuer ein heißes Bad und warmer Met mit Zimt. Nachdem Garth gefüttert und gebadet war, fiel sie erschöpft in ihr Bett und schlief traumlos ein.
Die Tage vergingen, und die Kriegsvorbereitungen gingen weiter. Zu Beginn des Frühlings musste Eric sich mit Alfred vereinigen, um die Dänen unter der Führung Gunthrums anzugreifen.,
Im Haus war bereits ein kalter Krieg im Gange, dachte Rhiannon. Sie verstand nicht warum Eric ihr so lange Zeit fern blieb.
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