02 - Die Gefangene des Wikingers
sein. Das Glück, ein Sklave zu sein! dachte Eric trocken. Denn wenn der Herr anständig war, änderte sich für einen Diener oder eine Magd ein Leben lang nicht viel - ganz egal, wer siegte oder wer gerade das Sagen hatte.
Hadraic, Rollo und Michael von Armagh saßen um das Feuer und tranken Ale. Hadraic war der Sohn eines der Männer seines Vaters und eines irischen Mädchens. Rollo
war durch und durch Normanne, und Michael war genauso irisch wie Königin Erin. Während er sie so betrachtete, dachte Eric, dass die Verbindung seines Vaters mit seinem Großvater mütterlicherseits sehr geschickt gewesen war. Die drei hier hatten gelernt, Freunde zu sein. Sie kämpften zusammen, kümmerten sich umeinander und waren Eric völlig treu.
Und doch, wie, auch er, waren sie auf der Suche nach… etwas. Vielleicht nach einer eigenen Eroberung wie dieser.
Rollo blickte zu Eric auf, als er die Treppe herabkam. »Wir haben für den König von Wessex ein Festmahl in Auftrag gegeben. Er hat uns als Bürgen einen jungen Adeligen aus East Anglia geschickt, deshalb haben wir jetzt eine Eskorte ausgesandt, die sich mit seinen Leuten treffen soll. Ich glaube, wir sollten jetzt losreiten und uns mit dem König von Wessex bei den Toren treffen.«
»Gut, reiten wir. « Eric trat an das Feuer und wärmte sich die Hände. Dann blickte er Hadraic scharf an: »Haben wir während der Nacht irgendwelche Gefangenen gemacht?«
»Nein, Eric. Wir haben am Ende der Schlacht ein paar Männer gefangengenommen und auch ein paar Frauen, aber keiner von ihnen stammt aus dem Herrenhaus. Wir haben Farmer, Diener und Handwerker. Sie alle haben den Eid auf Euch abgelegt. «
Eric nickte: »Gut.« Es würde harte Verhandlungen mit dem englischen König geben, aber er würde auf dieses Stück Land nicht verzichten.
Und doch wünschte er, er hätte dieses Mädchen. Mit Begeisterung würde er ihren Bogen und die Pfeile nehmen und sie auf ihrem Hinterteil kaputtschlagen.
Oder vielleicht täten ihr ein paar Nächte in Einsamkeit gut, mit nichts als Brot und Wasser…
Er verließ das Feuer und blickte seine drei Männer an: »Gehen wir?«
Michael, Hadraic und Rollo nickten. Er ging voraus in den Hof. Es war bereits Tag geworden. Schweine und Hühner liefen herum. Weiter entfernt konnte er einen Jungen sehen, der einen Ochsen vor sich hertrieb. Seine eigenen Leute waren auch schon aufgestanden. Ein paar lehnten an der Scheune und schnitzten, wie es so die Art der Skandinavier ist. Andere hielten Wache und beobachteten mit scharfen Augen die Umgebung.
Denis von Cork kam Eric entgegen. Er führte einen großen weißen Hengst mit sich. Er grinste von einem Ohr zum anderen: »Er ist eine Schönheit, Mylord Eric! Gut gefüttert, gut gebaut, schnell und kräftig. Ich war ganz begeistert, als ich ihn sah, und ich wusste gleich, dass nur Ihr ihn reiten dürft.«
»Ja, er ist schön«, stimmte Eric ihm zu. Sanft strich er mit seiner Hand über das zarte Maul des Tieres. Der Hengst schnaubte und tänzelte, und Eric spürte die große Kraft, die in ihm steckte. Er gab Denis das Grinsen zurück: »ja, Denis, Ihr sorgt gut für mich!«
Er stieg schnell auf und gab dann seinen Männern ein Handzeichen. Ihr Schrei stieg empor, und er nahm die Zügel des Hengstes. Sie ritten auf die Tore zu.
***
Hoch oben auf dem Hügel, von dem aus man die Stadt überblicken konnte, beobachtete Alfred, wie der gefährliche Prinz, den er in sein Land eingeladen hatte, herangaloppierte. Eric von Dubhlain war unverkennbar; seine Statur übertraf sogar noch alle Gerüchte. Er ritt das große Pferd mit der Leichtigkeit eines Kriegers, saß hochaufgerichtet im Sattel, ein beeindruckender Anblick mit seiner Größe und dem goldenen Haarschopf.
Der König musterte den irischen Prinzen argwöhnisch und hielt nach irgendeiner Falle Ausschau. Doch es gab keine. Die blauen Augen, die ihn ebenso musterten, zwinkerten nicht, waren hart- vielleicht grausam. Sie blickten mit forderndem Ausdruck in seine, mit einem gewissen Argwohn, aber auch mit unleugbarer Achtung.
»Alfred von Wessex?« fragte der berühmte Krieger.
Der König nickte: »Eric von Dubhlain?«
Auch Eric nickte. Einige Augenblicke knisterte die Luft von widersprüchlichen Gefühlen; es roch nach Misstrauen.
Alfred wurde von mehreren Reitern begleitet - ihrer Kleidung nach zu schließen waren es Adelige. Doch in diesen ersten Augenblicken achteten weder der König noch der Prinz auf ihre Umgebung. Die Wichtigkeit ihres
Weitere Kostenlose Bücher