02 - Die Gefangene des Wikingers
betrachtete, hatte er das Gefühl, großzügig sein zu können. Er würde ihr Frieden anbieten. Doch er zweifelte daran, dass es jemals zwischen ihnen beiden Frieden geben könnte und erinnerte sich, wie sie ihn angeblickt hatte, mit Silberdolchen in ihren Augen. Und dann rief er sich die Art und Weise ins Gedächtnis zurück, wie sie zu ihm gesprochen hatte. Nein, es würde sicherlich keinen Frieden zwischen ihnen geben.
Er schüttelte diese Gedanken ab. Er würde sie nicht oft sehen müssen. Wenn er im Guten mit ihr auskommen konnte, würde er es tun. Er würde sie sich selbst und ihrem Hass überlassen. Aber vor Gott würden sie vereinigt werden, überlegte er, und wieder überfiel ihn Begeisterung für dieses Stück Land. Männer verschafften sich Land, um große Dynastien zu gründen, und er machte da keine Ausnahme. Er war lange genug in der Welt herumgezogen. Er wollte Erben haben. Sicherlich war ihr klar, wo in dieser Beziehung ihre Pflicht lag.
Eigenartigerweise begann sich bei diesem Gedanken sein Pulsschlag zu beschleunigen und sein Blut zu erhitzen. Sie rief keine zärtlichen Gefühle in ihm hervor, aber sie hatte die wilden Tiefen seines Herzens angesprochen. Während all des Ärgers und der Schmerzen hatte er seine Lenden pulsieren gefühlt. Er hatte sie begehrt. Doch ihm gefiel das Ausmaß dieser Begierde tief in seinem Inneren nicht. Er war kein Barbar. Sein Kiefer spannte sich. Sie waren keine wilden Bestien.
»Eric?«
Rollo tauchte hinter ihm auf. Eric wendete das herrliche weiße Roß . Hinter ihm erstreckte sich die lange Reihe seiner Männer, die auf seinen Befehl warteten.
»Reiten wir nach Wareham!« rief er. Die Erde bebte, als sich, die Horde auf den Weg machte.
Bein Einbruch der Dunkelheit näherten sie sich Wareham. Eric ordnete an, dass seine Leute halten und ein Nachtlager aufschlagen sollten. Er konnte zwar bereits die Mauern der Königsstadt sehen, aber er war noch nicht bereit, die Stadt zu betreten. Eine seltsame Nachdenklichkeit hatte ihn befallen, und er wollte allein sein.
Während des ganzen Abendessens hielt er sich abseits und betrachtete die Lichter, die aus Wareham herüberschimmerten. Er nahm einen tiefen Schluck Met und fragte sich, was wohl aus dieser Hochzeit entstehen würde. Er befürchtete, dass es zum Kampf kommen würde, falls das Mädchen den Befehl des Königs missachtete. Das Aufgebot war bereits bestellt worden, und nicht nur seine Ehre, auch die, seiner Männer stand auf dem Spiel. Er zuckte mit den Achseln und vertraute auf den König. Alfred würde nicht wagen, ihn abermals zu hintergehen.
»Sei auf der Hut junger Lord!«
Er drehte sich um und sah, dass Mergwin ihm gefolgt war. »Ich bin immer auf der Hut Mergwin. Falls du mir über das Meer gefolgt bist, um mir den guten Rat zu geben, auf mich aufzupassen, dann habe ich diese Lektion bereits gelernt.«
Eric hob seinen Becher: »Und?«
»Hegalez. Und dann die leere Rune.«
»Hegalez warnt vor Stürmen, vor Unwettern, vor unbekannten Mächten und vor Donner. Wir wissen, dass uns das bevorsteht, denn wir sind auf dem Weg, um die Dänen in Rochester zu bekämpfen. «
»Einst habe ich die gleichen Runen für deine Mutter gelesen«, sagte Mergwin leise.
Eric hatte das Gefühl, dass der alte Mann abschweifte, dass sein hohes Alter ihm allmählich zu schaffen machte. Es sah so aus, als hätte er schon immer gelebt, denn Mergwin hatte schon Erics Großvater Aed Finnlaith gedient, als dieser noch ein kleiner Junge gewesen war.
Eric antwortete sanft, denn er liebte seinen alten Lehrer aus ganzem Herzen: »Mergwin, hab keine Angst um mich. Ich kenne die Wahrheit der Schlacht und habe keine Angst vor dem Tod. Nein, eher fürchte ich ein Leben, in dem ein Mann vergessen könne, dass eines Tages der Tod über ihn kommen wird, ganz egal, ob er ein Held oder ein elender Feigling ist. Ich werde auf mich aufpassen, wenn wir gegen die Dänen kämpfen. Ich werde mich dicht an Rollo halten, und wir werden wie ein undurchdringlicher Wall sein.«
Mergwin ging zu ihm. Er lehnte seinen Rücken gegen den Baum, an dem auch Eric stand, und seufzte: »Es gibt da eine Dunkelheit, die noch näher liegt. Wolken schweben über dir, und ich kann sie nicht lesen.«
»Wolken sind ein Teil meines Lebens.«
Der Druide stieß sich vom Baum ab. Er starrte Eric eindringlich an und drohte ihm dann mit dem Finger: »Sei auf der Hut, denn Verrat ist nahe. Es ist kein Feind, den du sehen kannst, sondern ein Feind, den du nicht sehen
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