02 - Die Gefangene des Wikingers
herrschte Schweigen, aber dann setzte donnernder Beifall ein, und etliche Männer hoben ihre Lederbecher auf das Wohl des Königs.
Danach herrschte wieder Schweigen.
Rhiannons Vorstellung war derartig provokativ und verführerisch gewesen, dass sie alle nicht nur vergessen hatten, was die Ursache dafür gewesen war, sondern auch, dass sie die Normannen schwer gedemütigt hatte. Erics sämtliche Männer, die Iren ebenso wie die Norweger und die Männer, die, wie er, eine Mischung aus verschiedenen Nationalitäten waren, sie alle applaudierten ihr hingerissen wie Schafe.
Aber dann kamen die Männer langsam wieder zu sich, ihr Beifall verebbte, und Eric, der sich in seinem Stuhl neben dem König zurücklehnte, wusste, dass sie jetzt ihn anblickten.
Um der Ehre willen musste er ihrer Herausforderung begegnen, musste sie irgendwie bestrafen, ihrem Zorn etwas entgegensetzen. Aber wenn er das Mädchen, das gerade so beredsam’ den großen König von Wessex gepriesen hatte, schlagen würde, würden genau die Männer, die sie noch am Morgen für ihre Weigerung, ihrem König zu gehorchen, verdammt hatten, wie die Wilden zu ihrer Verteidigung aufspringen. Sie hatte ihn in eine sehr gefährliche und riskante Lage gebracht und er schwor sich im stillen, dass sie eines Tages für diese Hinterhältigkeit bezahlen würde.
Sie verharrte in einer anmutigen Pose auf dem Boden, das Gewand elegant um sich drapiert. Aber ihre Augen ruhten auf ihm, und er sah das silberne Glimmen in ihnen, ein Raubkatzenglitzern. Sie war sich genau bewusst, was sie getan hatte, und sie genoss ihren Triumph über ihn in vollen Zügen.
Zunächst saß er ruhig in dem herrschenden Schweigen da, dann erhob er sich langsam. Majestätisch überragte er die Versammlung in seinem karmesinroten Umhang mit dem aufgestickten Banner des Wolfs.
Er stieß sich vom Tisch ab und ging auf sie zu. Kein Ton war zu vernehmen. Als sie ihn kommen sah, trat Vorsicht anstelle des. Triumphs in ihre Augen. Sie erhob sich schnell und graziös, aber Eric bemerkte jetzt, dass sie nicht so ruhig war, wie sie vorgab, zu sein. An ihrer weißen Kehle pulsierte das Blut mit der Geschwindigkeit von Kolibriflügeln, und ihre Brüste hoben und senkten sich heftig bei jedem Atemzug.
Er blieb vor ihr stehen, lächelte langsam und verbeugte sich dann sehr tief vor ihr.
Das hatte sie nicht erwartet. Sie war sich sicher gewesen, dass er die Beherrschung verlieren und Wiedergutmachung verlangen würde, die ihm der König in diesem Fall nicht würde geben können, weil sie nichts gesagt hatte, was nicht der Wahrheit entsprach. Die Norweger hatten Lindesfarne überfallen und das Heiligtum von St. Cuthbart geschändet. Das konnte niemand leugnen. Bei dieser Erinnerung mussten doch alle einsehen, dass dieses neue Bündnis eine unheilige Verbindung war.
Sein Lächeln vertiefte sich, aber sie sah die angespannten Muskeln seines Kiefers und seine zusammengepressten Lippen. Seine Augen hielten die ihren fest, und sie musste seinen Blick zurückgeben. Dieses Mal wurde kein besonderes Pulver in das Feuer geworfen, und doch schien sich der Raum zu verdunkeln, und es war so, als würden sie - und nur sie beide - in einen seltsam glühenden Schein gehüllt. Die Luft schien zu knistern, als würden Blitze um sie zucken. Sekunden verstrichen - es hätten auch Äonen sein können, denn sie konnte die Augen nicht von der tödlichen blauen Kraft der seinen abwenden. Ihr Kopf fiel zurück, sie schwor sich, nicht vor ihm klein beizugeben. Zwischen ihnen herrschte eine prickelnde Stille; das Feuer knisterte und flackerte über die Wände und auch in ihrem Innern. Dann stellte sie fest, das es nicht das Feuer war, sondern die Kraft, die ihm entströmte. Unter seinem Umhang waren seine Arme nackt, sie glänzten bronzefarben, bei jeder Bewegung, ja bei jedem Atemzug spielten seine Muskeln. Sie spürte seine kriegerische Majestät, sein überwältigendes Selbstvertrauen. Und sie spürte auch eine andere Kraft, die seines Geistes. In diesen wenigen Sekunden wurde ihr bewusst, dass sie sich nicht mit einem Dummkopf angelegt hatte, sondern mit einem Mann, der jede seiner Entscheidungen stets sorgfältig überdenken, beurteilen und abwägen würde. Wenn er sich zur Vergeltung entschloss, würde er sie üben. Wenn er sich erst einmal entschieden hatte, dann würde er seine Meinung nicht mehr ändern, und er würde immer bereit sein, jeden ihrer Angriffe zu parieren.
Er ließ ihren Blick nicht los, bis er sich
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