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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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erleben, wie Lahme von Papa David geheilt wurden. Die Menschen gaben freiwillig mehr, als sie sollten. Mein Vater war bald in der Lage, ein größeres Grundstück zu kaufen und eine neue Kirche zu bauen, damit sonntags alle Platz finden konnten. Vaters Ruf und seine Lehre vom schwarzen Jesus Christus verbreiteten sich so schnell wie der reife Samen eines Baumes im Sommerwind.
    Von Onkel Emanuel hatte Vater eine zutiefst christliche Tradition übernommen: die Speisung der Kinder der Ärmsten. Sie fand regelmäßig nach jedem Gottesdienst statt. Ich will nicht behaupten, dass das kostenlose Mahl dazu beitrug, viele Menschen in die Kirche zu bringen. Aber geschadet hat es gewiss nicht. Viele Kinder kamen auf diese Weise zu einer richtigen Mahlzeit, die sich ihre Eltern nicht leisten konnten.
    Mutter hat einmal gesagt, als ich sie über das Wunder befragte, das Yemi vor 35
    Jahren erlebt hatte: „Vielleicht war sie gar nicht körperlich krank, sondern hatte einfach nur Angst aufzustehen. Als sie aber sah, dass alle anderen um sie herum tanzten und glücklich waren, hat sie es auch getan und ihre Angst vergessen.“
    Ich glaube, genau das ist das wirkliche Wunder, das mein Vater vollbracht hat.
    Er hat allen, die er kannte, die Angst genommen. Jedenfalls, solange er die Kraft dazu hatte. Wenn Papa Davids Geschichte in seinen Familien erzählt wird, heißt es oft:
    Man muss von sich selbst überzeugt sein, damit Gott einem hilft, Großes zu schaffen. Diese Idee gibt vielen Mutlosen Kraft.
    Mein Vater war kein Daddy, zu dem man sich auf den Schoß setzen konnte, um den Kopf Schutz suchend an seine Schulter zu betten. Papa war für alle da, aber für niemanden ganz persönlich. Sein Leben war gewissermaßen zu „groß“ für unsere Alltagsprobleme. Bewusst vermisst habe ich seine väterliche Liebe jedoch selten - ich kannte es ja nicht anders.
    Meine vielen Mamas
    Fünf Monate nachdem meine Mutter in den Harem eingezogen war, kam ich zur Welt. Sie sagte immer, ich hätte mir ausgerechnet den heißesten Tag des Jahres ausgesucht. Aber sie befand sich auch bereits in ihrem 43. Lebensjahr und die letzte Geburt lag 18 Jahre zurück. Den halben Tag hatte sie damit verbracht, zusammen mit ein paar anderen Frauen die Innenwände des neuen Gemeinschaftshauses zu streichen. Bis zum Tag der Niederkunft gab es für Schwangere keine Schonung; sie arbeiteten wie alle anderen Frauen auch.
    Mutter hatte sich im Harem gut eingelebt und sich vorgenommen, keine Ausnahme zu bilden. Selbst als die Wehen einsetzten, arbeitete sie mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Kurz nachdem die Fruchtblase geplatzt war, ließ sie sich von zwei Mitfrauen in ihr Zimmer bringen.
    Bei ihrem Umzug von München nach Lagos hatte Mutter ein Doppelbett aus Eichenholz mitgenommen, falls sie mal Besuch bekam. Dieses Bett war in Vaters Harem ihre Schlafstatt. Darin wurde ich geboren. Kein einziger Arzt war anwesend. Mama Felicitas, die selbst insgesamt sechs Kinder zur Welt gebracht hat, betätigte sich schon seit ewigen Zeiten als Hebamme. Das nötige Wissen hatte sie bei einer Frau erlernt, die aus dem Norden Nigerias stammte. Mama Felicitas hatte ihre Arbeit bisher auch immer gut gemacht, doch ich wollte nicht so einfach aus ihrem Bauch kommen!
    Mutters Erinnerung daran war noch Jahrzehnte später lebendig: „Es war ein ewiges Hin und Her. Erst hockte ich auf dem Boden neben dem Bett. Dann sollte ich mich ins Bett
    hineinlegen. Felicitas massierte mir immer wieder den Bauch. Dann ging's wieder in die Hocke. Ich bin fast verrückt geworden vor Schmerzen, aber nichts passierte.“ Heute weiß ich, woran es scheiterte: Ich befand mich in Beckenlage; ich steckte fest!
    Die Komplikationen bei der Geburt überforderten wahrscheinlich die Kenntnisse von Mama Felicitas. Nach stundenlanger Anstrengung packte sie schließlich eines meiner Beine und zog mich heraus. Das hört sich wenig sanft an, trotzdem schrie ich nicht, wie Mutter sich erinnern konnte. Um das im Mundraum und in den oberen Atemwegen festsitzende Fruchtwasser und den Schleim zu entfernen, wirbelte mich Mama Felicitas in der Luft herum, bis ich den ersten Schrei tat. Meiner Mutter schadete die - bei aller Liebe, die ich Mama Felicitas gegenüber empfinde, muss ich es so sagen - letztlich unsachgemäße Entbindung ebenfalls: Sie war mehrfach gerissen, wurde aber nicht genäht. Jahre danach bereiteten ihr die Narben noch Schmerzen.
    Die Folgen meiner komplizierten Geburt wurden erst im Lauf der Jahre

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