02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
anliefern ließ. Aber auch diese queen hatte sich bald der einheitlichen Kleiderordnung zu beugen.
Von solchen Ereignissen abgesehen war unser Tagesablauf von beruhigender Gleichmäßigkeit. Bei Sonnenaufgang standen wir auf, dann wurden wir Kinder in Schüsseln gewaschen, bevor wir uns zum gemeinsamen Gebet und anschließenden Frühstück mit unseren Müttern in den Höfen der jeweiligen Häuser versammelten. Danach trennten sich die Gruppen in jene, die das Haus zu säubern, jene, die zu kochen, und jene, die auf dem Grundstück zu arbeiten hatten. Die Aufgaben der Gruppen wechselten wöchentlich; ihre Einteilung oblag Mama Felicitas, die für Organisatorisches zuständig war.
Vormittags gingen die größeren Kinder in die Schule, deren Unterricht im Gemeinschaftshaus abgehalten wurde, die kleineren spielten oder halfen mit, beaufsichtigt von den Frauen, die in den Höfen und Gärten arbeiteten. Nach dem schlichten, meistens nur aus einem Brei oder einer Schale Reis bestehenden Mittagessen, etwa gegen elf Uhr, wurde eine lange Mittagsruhe eingelegt. Man konnte schlafen, sich von den älteren etwas vorlesen oder erzählen lassen.
Nachmittags gegen vier wurde der Harem wieder lebendig. Es wurde Tee getrunken und Gebratenes geknabbert. Die älteren Kinder hatten anschließend wieder Unterricht oder mussten ihre Hausaufgaben erledigen, die jüngeren spielten zusammen. Mit einem gemeinsamen Gebet und Abendessen so gegen acht ging der Tag zu Ende. Um neun, halb zehn lag der Harem bereits wieder in tiefem Schlummer.
Jede Woche verlief nach dem gleichen Muster. Am Samstag wurde gemeinsam sehr gründlich gebadet, die Frauen machten sich gegenseitig schön. Das mindestens einmal wöchentliche Geschrubbe mit harten Bürsten, das unsere Haut weicher machen sollte, mochte ich überhaupt nicht. Mutter bearbeitete meinen Körper jedes Mal, als wollte sie allen Dreck der ganzen Woche und der folgenden von mir herunterholen. Anschließend wurden wir eingeölt und massiert. Ich genoss die Sams-tagabende und Sonntage, wenn wir in frisch gewaschenen, weißen Kleidern ins Gemeinschaftshaus gingen - meistens die einzige Gelegenheit, Vater zu sehen.
In seinem leuchtend hellen Gewand sprach er zu seinen Frauen und Kindern und erzählte Geschichten.
Papa David hatte eine tiefe Stimme, der ich gern zuhörte. Er redete meist sehr lange; ich begriff oft nicht, was er erzählte, doch der Klang seiner Worte wirkte beruhigend. Nicht nur auf mich. Auch meine Geschwister wachten oftmals erst auf, wenn unsere Mütter uns sanft anstießen, weil alle zu klatschen, singen und tanzen begonnen hatten. Bei diesem Teil des wöchentlichen Fests machten die Jüngsten am liebsten mit.
Die Sonntagsversammlung war die einzige Gelegenheit, fremde Menschen zu Gesicht zu bekommen. Die Besucher betraten das Versammlungshaus durch einen Hintereingang, in dessen Nähe wir niemals kamen. Es waren Leute, die in der Nachbarschaft des Harems wohnten, die sich aber zu den Versammlungen ebenso weiß kleideten wie wir. Ehrfurchtsvoll nannten wir sie „unsere Gäste“.
Es waren auch einige Männer darunter. Aber niemals unternahm einer von ihnen den Versuch, eine der queens auch nur anzusehen. Das wäre sowieso sinnlos gewesen, denn die Gesichter der Frauen waren durch weiße Tücher verhüllt. Die sich anschließende Speisung der Kinder wurde ausschließlich von den älteren queens durchgeführt, aber der ganze Harem hatte dafür zuvor stundenlang das Essen zubereitet.
Da Papa David nur vier Grundschuljahre lang die Schule besuchen durfte, achtete er sehr auf die Ausbildung seiner Kinder. Sobald seine Söhne sechs Jahre alt waren, schickte er sie in Internate, die im ganzen Land verteilt waren.
Auf diese Weise sicherte er ihnen eine gute Ausbildung. Viele meiner Halbbrüder studierten oder gingen zum Militär und einige von ihnen bekleiden heute politische Ämter. Wir Mädchen, die wir den Harem nicht verlassen durften, besuchten den Unterricht im Gemeinschaftshaus. Trotzdem hatten wir uns morgens die Schuluniform anzu-ziehen. Sie bestand aus einem knielangen, weißen Rock, langärmliger weißer Bluse und einem weißen Kopftuch, das stramm um den Kopf gebunden wurde.
Glücklicherweise durften wir barfuß gehen, denn wir sollten voller Demut den Boden unter unseren Füßen spüren, aus dem wir hervorgegangen waren und zu dem wir zurückkehren, wenn die Zeit gekommen ist.
Da wir Mädchen auch eine stattliche Zahl waren, manchmal über 30 in den verschiedensten
Weitere Kostenlose Bücher