02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Hochzeit erneut heiratete.
Als schlimmste Demütigung muss sie es aber aufgefasst haben, dass Mutter mich gebar, bevor Idu selbst schwanger wurde.
Die anfängliche Kinderlosigkeit und das Glück meiner Mutter, das ihr durch meine Geburt zuteil wurde, waren der Nährboden, auf dem Idu gegen meine Mutter zu hetzen begann. Da Vater sich mit Mutter nicht nur zum ehelichen Beisammensein traf, sondern auch mit ihr beriet, hetzte Idu die anderen auf und behauptete, dass Mutter Papa David verhexen würde. Also sorgte Mama Patty dafür, dass nur noch Idu zu meinem Vater durfte: Sie wurde endlich schwanger und es herrschte wieder Frieden.
Ein Mann von Einfluss
Mein Vater war nicht der einzige Nigerianer, der in Vielehe lebte. Allerdings haben die meisten Männer in meinem Land „nur“ zwei oder drei Frauen. Das hängt von ihrer Religion, ihrem sozialen Stand oder schlichtweg von ihrem Geldbeutel ab. Papa David war ein reicher Mann. Vor allem aber jemand, der davon überzeugt war, eine große Aufgabe zu haben. Deshalb hatte er sich auch die größte zum Ziel gesetzt, die sich ein Mann stellen kann: den Menschen Selbstvertrauen und Selbst-bewusstsein zu geben, damit sie ein glückliches Leben führen können. Der Weg dahin war die Family Of The Black Jesus, kurz die Familie. Er selbst, Papa David Umukoro, war die Keimzelle dieser Familie.
Seine Frauen - und deshalb mussten es so viele sein - gebaren ihm die Kinder, die diese Familie immer weiter vergrößern und den Gedanken von Papa David in die Welt hinaustragen sollten.
Diese Aufgabe fiel in erster Linie den Söhnen zu. Zum Beispiel Papa Davids Ältestem, Moses. Bei meiner Geburt war Moses bereits 24 Jahre alt. Er war von unserem Papa in den moslemischen Norden geschickt worden, um dort eine Familie im Sinne unseres Vaters zu gründen. Im Jahr 1976, als ich auf die Welt kam, hatte er drei Kinder, soweit ich weiß, sind es heute etwa 20. Sie alle tragen dazu bei, den christlichen Glauben in der Interpretation meines Vaters zu verbreiten. Und die ältesten Nachkommen von Moses werden gewiss demnächst neue Familien gründen..
Der Anfang zu diesem Lebenswerk liegt in einer Missionsschule in Calabar, einer Stadt im äußersten Südosten Nigerias.
Der kleine David - Kind armer, aber aufrechter Christen -lernte dort von den Patres Lesen, Schreiben und Rechnen. Natürlich im Glauben an Jesus Christus.
Für die weißen Priester stand fest, dass Gottes Sohn weiß war. Doch irgendwann stellte mein Vater die Frage, ob Jesus die gleiche Hautfarbe gehabt haben könnte wie er selbst und seine Freunde in der Missionsschule. Und wie seine eigenen Eltern. Einige Mitschüler fanden diesen Gedanken durchaus sehr interessant.
Aber nicht die Patres, die den knapp Zehnjährigen Mitte der Vierziger Jahre erzogen: Sie warfen ihn von der Schule. Vater empfand das stets als Unrecht. Er erzählte diese Begebenheit sehr oft, denn sie lieferte die Grundlage für sein gesamtes Leben.
Die Eltern schickten den aufmüpfigen kleinen David daraufhin zu Onkel Emanuel, dem Bruder seiner Mutter, ins fast tausend Kilometer entfernte Lagos.
In Onkel Emanuels Haus wohnte nicht nur dessen sechsköpfige Familie, sondern auch deren nahe und entfernte Verwandtschaft. David, der kleine Querkopf aus der Fremde, begann ganz unten als boy, als Diener. Vater sagte immer, er sei dankbar dafür gewesen, dass er der Geringste von allen gewesen war. Denn so lernte er, sich zu behaupten.
Auch Onkel Emanuel war ein gläubiger Christ, erwies sich allerdings als ein sehr strenger Ziehvater. Das Gerede von einem dunkelhäutigen Sohn Gottes unterließ Papa deshalb bald. Den Gedanken daran allerdings nicht. Er hatte gelernt, dass das ungeschützt ausgesprochene, offene Wort unter Umständen den Verlust der Heimat nach sich zieht.
Mit der Zeit, als Vater nach Lagos kam, war die heute etwa zehn Millionen Menschen zählende Stadt viel kleiner und der Großteil der Bevölkerung sehr arm. Um ihren Glauben zu praktizieren, bauten die Bewohner der schlichten Siedlungen ihre eigenen Kirchen. Es waren einfache Hütten mit einem Kreuz, klapprigen Bänken (wenn überhaupt) und einem schlichten Altar. Aber diese Gotteshäuser boten den Gläubigen, die wie die Familie meines Onkels aus noch viel ärmeren
Gegenden Nigerias stammten und zum Arbeiten nach Lagos gekommen waren, einen Schutz und eine Gemeinschaft. Der Gott der Christen war das Dach, ihr Trost in schweren Zeiten und die Hoffnung, irgendwann das Paradies zu finden.
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