02_In einem anderen Buch
denkt. Landen war fest in meinem Gedächtnis
verankert, wir würden bestimmt noch eine zweite Chance
haben.
Als mein Vater zögernd den Mund öffnen wollte, um seine
Niederlage einzugestehen, rief ich laut: »Nein!«
»Nein?« sagte Lavoisier. »Was soll das heißen?«
»Nein«, sagte ich. »Tu's nicht, Vater. Ich werde Jack Schitt
rausholen – oder sonst irgendwas.«
Mein Vater lächelte und legte mir die Hand auf die Schulter.
»Pah!« sagte Lavoisier. »Einer so selbstgerecht wie der andere.« Er nickte seinen Männern zu, die ihre Schusswaffen hoben.
Aber mein Vater war schneller. Ich spürte, wie er meine
Schulter berührte, und schon waren wir weg. Die Sonne schoss
am Himmel empor, während wir einen Zeitsprung nach vorn
machten, und ehe Lavoisier begriff, was geschah, waren wir
schon ein paar Stunden weit weg.
»Mal sehen, ob wir ihn abhängen können!« murmelte mein
Vater. »Von wegen Kabinettsbeschluss, alles Blödsinn. Landens
Nichtung war glatter Mord und sonst gar nichts. Wenn ich's
mir richtig überlege, sind das genau die Sachen, mit denen ich
Lavoisier eines Tages zu Fall bringen werde.«
Tage und Nächte waren nur kurze Lichtblitze, als wir in die
Zukunft rasten. Das Merkwürdige war, dass wir uns bei alledem
nicht von der Stelle bewegten. Nur die Welt um uns herum
wurde älter.
»Wir reisen immer noch ziemlich langsam«, erklärte mein
Vater. »Vielleicht überholt er uns einfach. Achte auf –«
Lavoisier und seine Spießgesellen erschienen nur für den
Bruchteil eines Augenblicks, als sie auf ihrem Weg in die Zukunft an uns vorbeirasten. Mein Vater bremste abrupt, und ich
geriet mächtig ins Stolpern, als wir uns plötzlich wieder mit
normaler Zeitgeschwindigkeit vorwärts bewegten. Ein Lastwagen aus den fünfziger Jahren brauste mit lautem Hupen vorbei,
und wir entfernten uns von der Straße.
»Was jetzt?«
»Ich glaube, wir haben ihn abgeschüttelt. Oh, verdammt –«
Schon rasten wir wieder der Zukunft entgegen. Lavoisier war
zurückgekommen, um uns zu suchen. Wir hatten ihn für einen
Augenblick abgeschüttelt, aber jetzt war er genau neben uns
und raste mit gleicher Geschwindigkeit wie wir selbst durch die
Jahre. Wenn mein Vater bremste, bremste Lavoisier auch; wenn
mein Vater beschleunigte, gab auch Lavoisier Gas. Es war eine
transtemporale Verfolgungsjagd, bei der die Teilnehmer ständig
gleichauf blieben.
»Auf Ihre alten Tricks fall ich nicht rein«, sagte Lavoisier.
»Dafür bin ich schon zu lange dabei.«
Kurz darauf erschienen zwei seiner Begleiter und passten ihr
Tempo ebenfalls unserer Geschwindigkeit an.
»Ich wusste, dass Sie kommen würden«, sagte Lavoisier triumphierend und kam, während die Zeit vorbeiraste, Schritt für
Schritt auf uns zu. Eine neue Straße wurde gebaut, wo wir
standen, dann eine Brücke, Häuser und Läden. »Geben Sie auf,
Colonel Next! Sie bekommen einen fairen Prozess, das garantiere ich Ihnen.«
Die beiden anderen ChronoGardisten sprangen vor und
packten meinen Vater an beiden Armen.
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie gehängt werden, Lavoisier!
Das Kabinett würde eine solche Aktion wie den Mord an meinem Schwiegersohn niemals billigen. Geben Sie Landen sein
Leben zurück, und ich verspreche, ich bewahre Stillschweigen
über Ihre Verbrechen.«
»Tja, genau darum geht's ja, nicht wahr?« erwiderte Lavoisier
höhnisch. »Was meinen Sie denn, wem man glaubt? Ihnen, mit
Ihrer Vergangenheit, oder mir, dem dritten Mann bei der
ChronoGarde? Außerdem hat Ihr unbeholfener Versuch,
Landen zu re-aktivieren, wahrscheinlich alle Spuren beseitigt,
die ich bei seiner Nichtung hinterlassen haben könnte.«
Lavoisier richtete seine Pistole auf meinen Vater, und die
beiden ChronoGarden hielten ihn fest, so dass er nicht in die
Zeit flüchten konnte. Als er es trotzdem versuchte, kam es nur
zu einem leichten Rütteln bei unserer schnellen Fahrt. Es sah
nicht gut aus. Anhand der Automodelle, die gelegentlich auf der
Straße sichtbar wurden, konnte ich sehen, dass wir schon
ziemlich nahe an der Gegenwart waren. Das Jahr 1985 musste
jeden Augenblick auftauchen.
Da hatte ich eine Idee. Sollte es nicht bald zu einem ChronoGarden-Streik kommen?
»Hört mal!« sagte ich zu den beiden Agenten, die meinen
Vater festhielten. »Seid ihr eigentlich Streikbrecher?«
Die ChronoGardisten sahen sich an, dann warfen sie einen
Blick auf die Chronographen, die sie am Handgelenk trugen,
dann sahen sie Lavoisier an.
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