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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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der
    Einzige, der sie noch abhört. Helsing weiß allerdings, was wir
    vorhaben. Wenn was schiefgeht, kommt er morgen früh und
    räumt die Schweinerei weg.«
    »Ach, das ist ja sehr tröstlich.«
    »Kein Problem«, erwiderte Spike lächelnd. »Es wird schon
    nichts schiefgehen.«
    Inzwischen waren wir beim zweiten Tor angekommen. Ein
    herzhafter Leichengeruch stieg mir in die Nase, er wurde durch
    das Aroma vermoderter Blätter gemildert, war aber doch ganz
    unverkennbar. Wir betraten die offene Halle, in der früher die
    Särge abgestellt wurden, und sahen uns um. Der Friedhof war
    ein einziges Durcheinander. Die Gräber waren sämtlich auf-gebrochen, und die Knochen derer, die schon verwest waren,
    lagen in wirren Haufen zwischen Grabsteinen. Das waren die
    Toten, die Glück gehabt hatten. Die kürzlich Verstorbenen
    dagegen waren vom Herrn der Finsternis reklamiert worden
    und mussten in seiner Sklavenarmee dienen – ein Karriereschritt, den die meisten nur ungern in ihren Lebensläufen
    erwähnten, soweit sie noch welche hatten.
    »Ziemlich chaotischer Haufen«, sagte ich, als wir uns einen
    Weg durch die zerstreuten Knochen zur Kirchentür bahnten.
    »Ich habe ein Gedicht für Cindy geschrieben«, sagte Spike
    leise und kramte in seiner Tasche. »Würden Sie ihr das bitte
    geben, falls etwas passiert?«
    »Das können Sie ihr selbst geben. Uns wird nichts passieren,
    das haben Sie selber gesagt. Außerdem will ich so was nicht
    hören, davon kriegt man Pickel.«
    »Okay«, sagte Spike und stopfte sein Gedicht zurück in die
    Tasche. »Tut mir leid.«
    Er holte tief Luft, drückte die eiserne Klinke herunter und
    stieß die schwere Eichentür auf. Das Innere war keineswegs so
    stockdunkel, wie ich gedacht hatte, denn das Mondlicht strömte
    durch die geborstenen Fenster und die Löcher im Dach. Man
    konnte durchaus etwas sehen. Die Verwüstungen in der Kirche
    waren mindestens so schlimm wie die auf dem Friedhof. Die
    Bänke waren zerbrochen, die Kanzel lag in Trümmern am
    Boden, der Altar war geschändet und die Wände waren mit
    schrecklichen Zeichen des Bösen beschmiert.
    »Ein nettes Zuhause für unseren Fürsten der Finsternis, finden Sie nicht?« sagte Spike und lachte vergnügt. Er schloss die
    schwere Tür hinter mir, drehte den großen eisernen Schlüssel
    herum und gab ihn mir zur Aufbewahrung.
    Ich blickte mich um, konnte aber niemanden sehen. Die Tür
    zur Sakristei war geschlossen. Ich warf Spike einen fragenden
    Blick zu. »Er scheint nicht da zu sein, oder?«
    »Oh doch! Er ist bestimmt da, wir müssen ihn nur aus seinem Versteck treiben. Finsternis kann sich in allen möglichen
    Winkeln verbergen. Wir müssen – rein metaphorisch – nur den
    richtigen Spürhund finden, der ihn aus seinem Loch jagt.«
    »Natürlich. Und wo könnte dieses metaphorische Loch
    sein?«
    Spike sah mich ernst an und zeigte auf seine Schläfe. »Da oben drin steckt er. Er dachte, er könnte mich von innen beherrschen, aber ich habe ihn in meinen Schläfenlappen gesperrt. Er
    ruft ziemlich böse Erinnerungen hervor. Ich habe einige Möglichkeiten, ihn unter Kontrolle zu halten, aber rauskriegen kann
    ich ihn leider nicht.«
    »So etwas hab ich auch«, sagte ich und dachte daran, wie Hades sich in meine Erinnerungen an Landen gedrängt hatte.
    »Ach, wirklich?« Spike warf mir einen fragenden Blick zu,
    aber als ich keine Erklärungen abgab, sagte er: »Ihn da rauszukriegen, wird nicht so einfach. Ich dachte, hier, auf vertrautem
    Gelände, kommt er vielleicht von allein raus, aber es scheint
    nicht zu klappen. Warten Sie, ich will es noch einmal versuchen.«
    Spike stützte sich auf eine umgekippte Bank, schnitt minutenlang verrückte Grimassen und grunzte, um den bösen Geist
    auszutreiben. Es war so ähnlich, als versuchte er einen Basketball aus seiner Nase zu drücken, und nach einigen angestrengten Minuten musste er aufgeben.
    »Dieser Bastard! Als wollte man eine Forelle mit einem Boxhandschuh aus einem Bach fischen. Na, egal! Ich habe einen
    Plan B. Der klappt bestimmt.«
    »Der metaphorische Spürhund?«
    »Genau. Nehmen Sie Ihre Pistole heraus.«
    »Wie bitte?«
    »Sie nehmen jetzt Ihre Pistole und schießen auf mich.«
    »Wohin denn, um Himmels willen?«
    »In die Brust, in den Kopf. Irgendwohin, wo es tödlich ist.«
    »Sie machen Witze!«
    »Nein, ich meine das vollkommen ernst.«
    »Und dann?«
    »Ach, ja, richtig. Das hätte ich vielleicht zuvor sagen sollen.«
    Er öffnete seinen Rucksack und zeigte

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