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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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entdeckt?«
    Dad wurde plötzlich todernst. »Deshalb bin ich hier. Womöglich nie, wenn wir nichts unternehmen. Hast du einen
    Radfahrer auf der Straße gesehen?«
    »Ja.«
    »Also«, sagte er und studierte den großen Chronographen an
    seinem Handgelenk. »In zehn Sekunden wird dieser Radfahrer
    überfahren und dabei getötet.«
    »Und dann?« fragte ich, denn ich ahnte, dass da noch etwas
    fehlte.
    Mein Vater sah sich vorsichtig um und senkte die Stimme.
    »Wie es scheint, wird hier und jetzt das Schlüsselereignis stattfinden, durch das wir verhindern können, dass jedes Stückchen
    Leben auf diesem Planeten ausgelöscht wird!«
    Ich sah ihm in die ernsten Augen. »Du machst doch jetzt
    keine Witze?«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Leider nein. Im Dezember
    1985, deinem 1985, verwandelt sich alle organische Materie auf
    diesem Planeten aus unerklärlichen Gründen in … das hier.«
    Er zog einen kleinen Plastikbehälter für Gewebsproben aus
    seiner Tasche, der einen dicken rosa Schleim enthielt. Ich griff
    danach und schüttelte ihn neugierig, aber ehe ich mich näher
    damit beschäftigen konnte, hörten wir lautes Bremsenkreischen
    und einen dumpfen Schlag. Sekunden später landeten ein
    zerschmetterter Körper und ein zerbeultes Fahrrad vor unseren
    Füßen.
    »Am 12. Dezember, ein paar Sekunden vor oder nach 20 Uhr
    23, wird sich alle organische Materie auf diesem Planeten – jede
    Pflanze, jedes Insekt, jeder Fisch, jeder Vogel, jedes Säugetier
    und sämtliche drei Milliarden Menschen – in das hier verwandeln. Das ist für uns alle das Ende. Das Ende des Lebens. Und
    die fabelhafte Rockband, von der ich dir erzählt habe, wird's
    niemals geben. Das Problem«, sagte er, als eine Wagentür
    zuschlug und eilige Schritte auf uns zukamen, »besteht darin,
    dass wir nicht wissen, warum. Die ChronoGarde arbeitet gegenwärtig stromabwärts nicht –«
    »Wieso?«
    »Die Stromabwärts-Schwimmer streiken. Sie wollen kürzere
    Stunden. Ich meine nicht weniger, sondern buchstäblich kürzere Stunden – so etwa fünfzig Minuten.«
    »Das heißt, dass womöglich die Welt untergeht, weil die gerade streiken? Ist das nicht ziemlich blöd?«
    »Im Sinne der Tarifauseinandersetzung«, sagte mein Vater,
    nachdem er sorgfältig nachgedacht hatte, »ist es eine geniale
    Taktik. Ich hoffe nur, sie gelangen noch rechtzeitig zu einer
    Einigung.«
    »Aber das ist doch verrückt!«
    Mein Vater zuckte die Achseln. »Ich bin nicht mehr in der
    ZeitGilde, Schatz. Erinnerst du dich? Ich bin ein Gesetzloser.«
    »Also, was können wir machen?« fragte ich.
    »Weltweite Katastrophen sind so ähnlich wie Erdbeben«,
    sagte mein Vater und klopfte auf seine Taschen, um seine Pfeife
    zu finden. »Es gibt immer ein Epizentrum, von dem alles ausgeht, auch wenn es noch so klein ist.«
    Ich betrachtete den lauen Sommerabend und lauschte dem
    Vogelgezwitscher. Ich fing an zu verstehen. »Das hier ist das
    Epizentrum?«
    »Genau«, sagte mein Vater. »Ich habe zahllose ZeitstromModelle getestet, und das Ergebnis ist immer dasselbe – es
    kommt auf das Hier und Jetzt an, wenn wir die Katastrophe
    abwenden wollen. Und da der Tod des Radfahrers weit und
    breit das einzige irgendwie bedeutende Ereignis zu sein scheint,
    weil Stunden vorher und nachher nichts ähnlich Auffälliges
    vorkommt, muss es der Schlüssel zu alledem sein. Der Radfahrer muss überleben, wenn wir den Planeten gesund halten
    wollen.« Wir traten hinter der Reklametafel hervor, um mit
    dem Autofahrer zu reden.
    Der junge Mann war in sichtbarer Panik. »Oh, mein Gott!«
    rief er, als er den verkrümmten Körper zu unseren Füßen sah.
    »Ist er –«
    »Im Augenblick, ja«, erwiderte mein Vater sachlich und
    stopfte sich seine Pfeife.
    »Ich muss einen Krankenwagen holen!« stammelte der
    Mann. »Vielleicht lebt er ja noch!«
    »Wie auch immer«, sagte mein Vater und ignorierte den
    Kraftfahrer vollständig. »Entweder der Radfahrer tut etwas oder
    er unterlässt es, und das ist der Schlüssel zu diesem ganzen
    Schlamassel.«
    Der Autofahrer hörte einen Augenblick auf, seine Hände zu
    ringen, und sah uns misstrauisch an. »Ich bin nicht etwa zu
    schnell gefahren«, sagte er hastig. »Der Motor klang vielleicht
    etwas laut, aber das kam bloß daher, dass ich im zweiten Gang
    steckte.«
    »Warte mal!« sagte ich leicht verwirrt. »Du hast mir doch
    selbst erzählt, dass du schon jenseits von 1985 gewesen bist, also
    …«
    »Ich weiß«, sagte mein Vater grimmig. »Wir

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