02_In einem anderen Buch
misstrauisch
werden. Und wenn Sie der oder die Einzige sind, die es bemerken, dann ist höchste Vorsicht geboten. Dann haben Sie
wirklich Anlass zur Sorge …
BENDIX SCINTILA
– Zeitstrom-Navigation für CG-Kadetten Modul IV
Landens Abwesenheit machte mich unruhig. Während ich die
Gartentür unseres Hauses aufstieß, suchte ich immer noch
Gründe, weshalb er nicht dagewesen sein könnte. War er in die
Stadt gegangen und hatte darüber die Zeit versäumt? Hatte er
sein Jogging-Bein von der Reparatur abgeholt? War er bei
seiner Mutter gewesen?
Aber ich machte mir etwas vor. Landen hatte gesagt, er würde im Café auf mich warten, und er war nicht dagewesen. So
einfach war das. Und es sah ihm überhaupt nicht ähnlich.
Kurz vor dem Haus blieb ich abrupt stehen. Aus irgendeinem
Grund hatte es Landen für nötig befunden, im Vorderzimmer
andere Vorhänge aufzuhängen. Mit wachsender Unruhe ging
ich weiter zur Haustür. Auch der Fußabtreter war weg. Aber
nicht erst seit kurzem. Die entsprechende Vertiefung war
offenbar schon vor längerer Zeit mit Zement ausgefüllt worden.
Und es gab noch andere Veränderungen. Auf der Veranda
stand ein Pflanzentrog mit einer vertrockneten Tickia orologica,
dahinter ein rostiges Fahrrad. Die Mülleimer waren alle aus
Plastik, und im Briefkasten steckte The Mole, ein Blatt, das
Landen nicht ausstehen konnte. Ich spürte, wie eine heiße
Woge von Panik mich überlief, als ich vergeblich nach meinem
Hausschlüssel suchte, der mir allerdings sowieso nichts genutzt
hätte, denn das Schloss, das ich noch am Morgen benutzt hatte,
war offenbar vor Jahren schon übermalt worden.
Ich muss wohl einigen Lärm gemacht haben, denn plötzlich
ging die Tür auf und ein stark gealterter Landen mit Bauch,
Bifokalbrille und blanker Glatze stand vor mir.
»Ja, bitte?« sagte er im typischen gedehnten Parke-LaineBariton.
»Mein Gott, Landen? Bist du das?«
Der alte Mann schien fast genauso erschrocken wie ich. »Ich?
Nein, wieso?« schrie er und versuchte die Tür zuzuschlagen.
»Hier wohnt niemand mit diesem Namen!«
Ich stellte den Fuß in die Tür. Ich hatte oft gesehen, wie das
die Polizisten im Film tun, aber in Wirklichkeit funktionierte es
nicht so gut. Ich hatte vergessen, dass ich Turnschuhe anhatte,
und das Schalbrett quetschte mir meine Zehen. Ich jaulte vor
Schmerz, zog meinen Fuß zurück und ließ die Tür zuschlagen.
»Verfluchte Scheiße!« schrie ich, auf einem Bein hüpfend.
Dann drückte ich auf die Klingel, hörte aber als Antwort nur ein
gedämpftes »Verschwinden Sie!« durch die Tür. Ich wollte
gerade anfangen, mit den Fäusten an die Tür zu schlagen, als
ich eine vertraute Stimme hinter mir hörte. Ich drehte mich um
und sah Landens Mutter.
»Houson!« rief ich. »Ein Glück! Da ist jemand in unserem
Haus und will mich nicht reinlassen, und … Houson?«
Sie starrte mich an, schien mich aber nicht zu erkennen.
»Houson!« sagte ich und trat einen Schritt auf sie zu. »Ich bin
es, Thursday!«
Sie trat hastig einen Schritt zurück. »Für Sie bitte immer
noch Mrs Parke-Laine, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Was
wollen Sie hier?«
Ich hörte, wie sich hinter mir die Tür öffnete. Der gealterte
Nicht-Landen traute sich wieder hervor. »Sie hat an der Tür
geklingelt und will nicht mehr weggehen«, erklärte er Landens
Mutter. Er dachte einen Augenblick nach und fügte dann hinzu:
»Sie hat mich nach Landen gefragt!«
»Landen?« wiederholte Houson scharf, und ihr Blick wurde
jeden Augenblick hasserfüllter. »Was geht Landen Sie an?«
»Ich bin seine Frau.«
Es entstand eine Pause, während sie das zu verdauen versuchte.
»Ihr Sinn für Humor ist geschmacklos, Miss Wer-auchimmer«, erwiderte sie und zeigte auf die Straße. »Ich schlage
vor, dass Sie uns jetzt besser verlassen.«
»Warten Sie mal!« rief ich und hätte beinahe gelacht. »Wenn
ich nicht Landens Frau bin, wem gehört dann dieser Ring?«
Ich hielt meine linke Hand hoch, aber das zeitigte keine besondere Wirkung. Ein kurzer Blick zeigte mir, warum das so
war: Ich trug überhaupt keinen Ring.
»Scheiße –!« murmelte ich und sah mich verwirrt um. »Ich
muss ihn irgendwo verloren haben –«
»Sie sind ein bisschen durcheinander«, sagte Houson jetzt
eher mitleidig. Sie hatte wohl gemerkt, dass ich nicht gefährlich
war – nur verrückt. »Können wir jemanden anrufen?«
»Ich bin nicht verrückt«, sagte ich, um die Situation irgendwie in den
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