Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
Griff zu bekommen. »Heute Vormittag, noch vor
    wenigen Stunden, haben Landen und ich hier gewohnt. Genau
    in diesem Haus –«
    Ich unterbrach mich. Houson hatte sich neben den Mann in
    der Tür gestellt, und als ich sie so zusammen sah, wusste ich
    plötzlich, wer der Mann war: Er war Landens toter Vater.
    »Du bist Billden«, murmelte ich. »Du bist umgekommen, als
    du …«
    Meine Stimme versagte. Landen hatte seinen Vater nie kennen gelernt; denn Billden Parke-Laine war schon vor achtunddreißig Jahren gestorben, als er den zweijährigen Landen aus
    einem Wagen zu retten versuchte, der in die Themse gestürzt
    war. Das Herz gefror mir im Leib, als mir die wahre Bedeutung
    dieses bizarren Zusammentreffens bewusst wurde. Landen war
    genichtet worden!
    Ich streckte haltsuchend die Hand aus, setzte mich auf die
    Gartenmauer und schloss die Augen. Mein Kopf war von einem
    dumpfen Klopfen erfüllt. Nicht Landen! Doch nicht gerade
    jetzt! Es war –
    »Billden«, erklärte Houson, »ruf lieber die Polizei –«
    »Nein!« rief ich, öffnete die Augen und starrte ihn an. »Du
    bist damals nicht zurückgegangen, nicht wahr? Du bist nicht
    getaucht, oder?« sagte ich mit brechender Stimme. »Du hast ihn
    damals nicht gerettet. Du hast überlebt, und er ist –«
    Ich erwartete, dass er wütend sein würde, aber es gab keine
    Wut. Stattdessen starrte er mich nur verwirrt und erschreckt an.
    »Ich wollte zurückgehen«, sagte er leise.
    Ich unterdrückte meine Gefühle. »Wo ist Landen jetzt?« fragte ich.
    »Wenn wir Ihnen das sagen, versprechen Sie dann, wegzugehen und niemals wiederzukommen?« fragte Houson.
    Sie nahm mein Schweigen als Zustimmung und sagte: »Er ist
    auf dem Städtischen Friedhof begraben. Und Sie haben Recht:
    Er ist vor achtunddreißig Jahren ertrunken.«
    »Schitt!« sagte ich. Landens Eltern traten erschrocken zurück. »Nein, Sie meine ich nicht«, fügte ich hastig hinzu. »Verdammt! Ich werde erpresst!
    »Das sollten Sie dann wohl besser SpecOps melden.«
    »Die würden mir genauso wenig glauben wie Sie –«
    Ich dachte einen Augenblick nach. »Houson, ich weiß, du
    hast ein gutes Gedächtnis, denn wir waren recht gut befreundet,
    als Landen noch existierte. Jemand hat dir deinen Sohn und mir
    meinen Ehemann weggenommen, aber du kannst mir glauben:
    Ich werd ihn zurückholen. Ich bin nicht verrückt, und ich kann
    es dir auch beweisen: Er ist allergisch gegen Bananen, stimmt's?
    Er hat ein Muttermal am Hals und einen hummerförmigen
    Leberfleck auf dem Po. Das würde ich doch nicht wissen, wenn
    ich ihn nicht gut kennen würde, nicht wahr?«
    Houson sah mich mit wachsendem Interesse an. »Dieser Leberfleck. Auf welcher Pobacke ist er?«
    »Auf der linken.«
    »Von vorn gesehen oder von hinten?«
    »Von hinten«, sagte ich ohne zu zögern.
    Es herrschte einen Augenblick Schweigen. Sie sahen sich gegenseitig und dann wieder mich an, und in diesem Augenblick
    wussten sie es. Als Houson weitersprach, lag eine tiefe Trauer in
    ihrer Stimme: »Wie – wie ist er gewesen?«
    Sie begann zu weinen. Große Tränen liefen ihr übers Gesicht,
    als sie daran dachte, was hätte gewesen sein können.
    »Er war wunderbar!« sagte ich dankbar. »Großzügig, witzig,
    schlank, hochgewachsen, klug – ihr wärt so stolz auf ihn gewesen!«
    »Und was war er von Beruf?«
    »Schriftsteller«, sagte ich. »Letztes Jahr hat er den Armitage
    Shanks Fiction Award für Bad Sofa gewonnen. Er hat ein Bein
    auf der Krim verloren. Wir haben vor acht Wochen geheiratet.«
    »Sind wir dabeigewesen?«
    Ich schwieg. Houson war natürlich dagewesen und hatte
    Freudentränen geweint, aber Billden … Billden war nun einmal
    gestorben, als er Landen aus dem Wagen gerettet und dabei zu
    viel Wasser geschluckt hatte. Er hatte sein Leben gegen das
    seines Sohnes getauscht und war auf dem Städtischen Friedhof
    gelandet.
    Schließlich brach Houson das Schweigen. »Das hat doch alles
    keinen Zweck«, sagte sie leise. »Ich glaube, es wäre für uns alle
    besser, wenn Sie jetzt gehen. Und kommen Sie bitte nie wieder.«
    »Eine Frage noch«, sagte ich. »Als Sie ihn zu retten versuchten, hat Sie da jemand daran gehindert?«
    »Mehr als einer«, erwiderte Billden. »Es waren fünf oder
    sechs – eine war sogar eine Frau. Sie mussten sich auf mich
    draufsetzen –«
    »War auch ein Franzose dabei? Groß, mit einem distinguierten Gesicht? Ein gewisser Lavoisier? Können Sie sich erinnern?«
    »Ich weiß nicht mehr«, sagte Billden. »Es ist

Weitere Kostenlose Bücher