02_In einem anderen Buch
zuvor!«
»Hast du schon Edmund Spensers Faerie Queene versucht?«
fragte ich. »Sechs Bände voller langweiliger Spenser-Stanzen!
Das einzig Gute, was man darüber sagen kann: Es ist Fragment
geblieben, er hat nur sechs von zwölf Bänden geschafft.«
»Hab alle sechs Bände gelesen, und zur Sicherheit auch noch
sein restliches Werk. Hat überhaupt nichts genutzt.«
Ich legte den Schläger hin, während ihre Bälle nur so an mir
vorbeizischten. »Du hast gewonnen, Omi. Ich muss mit dir
reden.«
Widerstrebend gab sie das Spiel auf und ich half ihr hinauf in
ihr Zimmer, eine schmale, altmodisch dekorierte Zelle, die sie
als ihre »Abflughalle« bezeichnete. Es gab nur wenige Möbel,
ein Foto von mir, Anton, Joffy und meiner Mutter, sowie etliche
leere Rahmen.
Sobald sie sich aufs Bett gesetzt hatte, sagte ich: »Sie haben …
meinen Mann genichtet, Omi. Du musst mir helfen!«
»Wann haben sie ihn denn geholt?« fragte sie und musterte
mich über ihre Brille hinweg, wie das Großmütter im Allgemeinen so machen. Sie zweifelte keine Sekunde an meinen Worten,
und ich erklärte ihr das Vorgefallene so knapp und präzise wie
möglich. Nur das mit dem Baby erwähnte ich nicht.
»Hmm«, sagte sie nachdenklich, als ich geendet hatte. »Ich
weiß, was das für dich bedeutet. Mir haben sie auch meinen
Mann weggenommen.«
»Warum denn das?«
»Aus demselben Grund wie bei dir, Schätzchen. Liebe ist etwas Wunderbares, aber sie macht dich ungeheuer erpressbar.
Wenn man der Tyrannei einmal nachgibt, leiden andere genauso wie du, vielleicht sogar noch schlimmer.«
»Willst du damit sagen, ich soll Landen nicht zurückzuholen
versuchen?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Du sollst nur genau darüber nachdenken, ob du den Erpressern helfen willst. Denen bist du
genauso egal wie Landen. Die interessieren sich bloß für diesen
Jack Schitt. Ist Anton immer noch tot?«
»Ich fürchte, ja.«
»Was für eine Schande. Ich hatte so gehofft, deinen Bruder
noch mal zu sehen, ehe ich mich verabschiede. Weißt du, was
das Schlimmste am Sterben ist?«
»Sag's mir, Omi!«
»Man erfährt nie, wie das alles ausgeht!«
»Hast du deinen Mann zurückgekriegt, Omi?«
Statt mir zu antworten, legte sie mir plötzlich die Hand auf
den Bauch und lächelte dieses kleine, allwissende Lächeln, das
Großmütter wohl in der Oma-Schule beigebracht kriegen, wo
sie auch Häkeln, Winterschlussverkaufstaktik und den unnachahmlichen Trick lernen, immer ganz genau zu wissen, was man
gerade im oberen Stock macht. »Im Juni, stimmt's?« sagte sie.
Mit Großmutter Next zu streiten oder ihr etwas vorzumachen,
ist sinnlos. Und es hat auch keinen Zweck zu fragen, woher sie
solche Dinge weiß.
»Juli«, sagte ich. »Aber hör mal: Ich weiß nicht, ob es von
Landen oder diesem Miles Hawke ist, oder von sonst irgendjemand.«
»Dann ruf diesen Hawke an und frag ihn ganz einfach!«
»Das kann ich nicht machen!«
»Tja, dann musst du dich eben weiter beunruhigen«, erwiderte sie. »Aber ich sag dir: Ich setze auf Landen. Wenn deine
Erinnerungen die Nichtung überstanden haben, warum dann
nicht auch das Baby? Glaub mir, es geht bestimmt alles gut aus.
Vielleicht nicht so, wie du denkst, aber trotzdem zufriedenstellend, sei unbesorgt.«
Ich wünschte, ich könnte ihren Optimismus teilen. Sie nahm
ihre Hand von meinem Bauch und ließ sich aufs Bett sinken.
Die Anstrengung beim Ping-Pong führte jetzt doch zu einer
gewissen Erschöpfung.
»Ich muss einen Weg finden, auch ohne das ProsaPortal einen Text zu betreten, Omi.«
Sie öffnete die Augen und sah mich scharf an. »Hmm!« sagte
sie. »Ich habe siebenundsiebzig Jahre lang in achtzehn verschiedenen Abteilungen für SpecOps gearbeitet. Ich bin vorwärts
und rückwärts und gelegentlich sogar seitwärts gesprungen,
wenn nötig. Ich habe Verbrecher gejagt, neben denen Hades
wie St. Zvlkx aussieht und habe die Welt acht Mal vor der
Vernichtung gerettet. Ich habe so verrückte Scheiße gesehen,
dass du nicht das Geringste begreifen würdest, wenn ich sie dir
zu beschreiben versuchte, aber trotz alledem habe ich nicht die
geringste Ahnung, wie dich Mycroft in Jane Eyre hineinge-schleust hat.«
»Ach.«
»Tut mir leid, Thursday – aber so ist es nun mal. Wenn ich
du wäre, würde ich das Problem rückwärts angehen. Wer war
die letzte dir bekannte Person, die Bücher betreten konnte?«
»Mrs. Nakijima.«
»Und wie hat die es gemacht?«
»Sie hat sich einfach
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