02_In einem anderen Buch
Gesundheitsgründen den vorzeitigen Ruhestand zu beantragen. Sie
wissen schon: Fragebogen D4. Das wollen wir doch nicht, oder?
Ich werde Ihnen helfen, etwaige Erinnerungslücken zu schließen, wenn Sie mal was nicht wissen. Wie war noch mal der
Name Ihres Mannes?«
»Landen.«
Es gab mir Stärke, wie er die Sache anpackte. Bei Bowden
konnte man sich immer darauf verlassen, dass er die Probleme
mit analytischer Logik zu lösen versuchte, wie eigenartig auch
immer sie aussehen mochten. Schritt für Schritt ging er die
Ereignisse des Tages in allen Details noch einmal mit mir
durch, was mich sehr beruhigte. Erneut fragte ich ihn nach
einem etwaigen Liebhaber.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. »Sie sind eine ziemlich
diskrete Frau.«
»Kommen Sie – irgendwas muss es doch geben – die Leute
reden doch immer.«
»Ja, es gibt ein paar Gerüchte im Büro, aber ich höre nicht
viel davon. Ich bin ja Ihr Partner. Ihr Liebesleben ist Gegenstand verschiedenster Spekulationen. Man nennt Sie –«
Bowden verstummte.
»Also? Wie werde ich genannt?«
»Ach, das wollen Sie gar nicht wissen.«
»Reden Sie, Bowden!«
»Na schön«, sagte er. »Sie werden – man nennt Sie das Eismädchen.«
»Eismädchen?«
»Es ist nicht so schlimm wie mein Spitzname«, fuhr Bowden
fort. »Mich nennen sie Toter Hund.«
»Toter Hund?« sagte ich und tat so, als hätte ich das noch nie
gehört. »Eismädchen? Das ist irgendwie … abgedroschen, nicht
wahr? Ist denen nichts Besseres eingefallen? Na, egal, hab ich
nun einen Freund oder nicht?«
»Es gab mal ein Gerücht über jemanden bei SO-14 –«
Ich hielt die Krocket-Jacke hoch und versuchte mir vorzustellen, wie groß der namenlose Liebhaber sein könnte.
»Gibt es eine positive ID?«
»Es ist nur ein Gerücht, Thursday.«
»Sag schon, Bowden!«
»Miles«, sagte er schließlich. »Es handelt sich wohl um Miles
Hawke.«
»Ist es ernst?«
»Ich hab keine Ahnung. Sie reden nicht über diese Dinge mit
mir.«
Ich bedankte mich und legte auf. Plötzlich hatte ich Schmetterlinge im Bauch. Ich wusste, dass ich schwanger war, aber: Wer
war der Vater? Wenn ich einen Liebhaber namens Miles hatte,
dann war es womöglich gar nicht Landens Kind?
Ich rief meine Mutter an, aber die war gerade damit beschäftigt, einen angebrannten Kochtopf in ihrer Küche zu löschen,
und an tiefgründigen Gesprächen nicht interessiert. Ich fragte
sie, wann ich zum letzten Mal einen jungen Mann mit nach
Hause gebracht hätte, und sie sagte, das müsse mindestens
sechs Jahre her sein, sie könne sich kaum noch daran erinnern,
und wenn ich mich mit dem Heiraten nicht allmählich beeilte,
müsste sie Enkelkinder wahrscheinlich noch adoptieren oder
aus einem Kinderwagen am Supermarkt klauen, je nachdem
was einfacher ginge. Ich sagte ihr, ich würde sofort losziehen
und nach einem geeigneten Schwiegersohn suchen, und hängte
auf.
Nervös ging ich in meinem Wohnzimmer auf und ab. Wenn
ich meiner Mutter diesen Miles nicht vorgestellt hatte, dann war
die Sache wahrscheinlich gar nicht so ernst. Andererseits, wenn
sein Zeug bei mir in der Wohnung herumlag, dann war es
womöglich doch ernst. Plötzlich kam mir eine Idee. Ich ging
zum Nachttisch und wühlte darin herum. Am Ende fand ich ein
Päckchen Kondome, die über drei Jahre alt waren. Ich stieß
einen Seufzer der Erleichterung aus. So kannte ich mich schon
eher – es sei denn, dieser Miles hatte seine eigenen Gummis.
Andererseits, wenn ich tatsächlich schwanger war, dann waren
die Kondome auch kein Beweis, es sei denn dafür, dass wir sie
nicht benutzten. Vielleicht gehörten die Kleider ja auch gar
keinem Miles? Und was war mit meinen Erinnerungen? Wenn
die überlebt hatten, dann hatte der kleine Landen in meinem
Bauch ja vielleicht auch überlebt? Ich setzte mich aufs Bett,
machte meinen Pferdeschwanz auf und zog die Finger durchs
Haar. Dann ließ ich mich rücklings aufs Bett fallen und heulte.
11.
Oma Next
Ganz wie ich erwartet hatte, kam die junge Thursday an diesem Morgen bei mir vorbei. Sie hatte gerade Landen verloren, so wie ich meinen Mann schon vor Jahren eingebüßt
hatte. Sie hatte die Jugend und die Hoffnung auf ihrer Seite,
und obwohl sie es noch nicht wusste, besaß sie auch viel von
dem, was wir Das Andere nennen. Ich hoffte, sie würde klug
damit umgehen. Zu dieser Zeit wusste noch nicht einmal ihr
Vater, wie wichtig sie war. Nicht nur Landens Leben hing
von ihr ab. Sondern
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