02 Jesses Maria: Wechseljahre
Maria, warum sagst du dieser Isa nicht einfach, dass du keine Schokolade magst?“ Tamara kennt die alte Frusthenne ja nicht.
Wir nannten sie früher immer Iha statt Isa. Weil sie am Abendgymnasium Abitur gemacht hat und danach rumlief und bei jeder Gelegenheit betonte: „Ich hab Abitur!“ I H A. Iha. Ja, und? Wenn eine mit Mitte vierzig auf der Abendschule Abitur macht, dann weiß doch jeder, dass sie abends sonst nix zu tun hat.
Seitdem Isa vor etlichen Jahren der Mann stiften ging, ist sie immer schlimmer geworden.
Früher, in der Schule, da war sie auch schon ziemlichangriffslustig. Sowas liegt wohl in den Genen, wie beim Hund: Wenn einer ein Angstbeißer ist, hat das nicht immer was mit Erziehung zu tun. Manchmal ist das angeboren und man kann nichts dagegen machen.
Bei Isa Schmidt ist nichts mehr zu retten.
Sie ist ja eine geborene Weinstock.
In der Zeit, als wir in der Schule unsere Namen rückwärts lasen und uns auch damit ansprachen, hatte Isa schon schlechte Karten. Asi Kcotsniew ist nicht witzig.
Sie war schon damals mit Reinhard zusammen. Reinhard Schmidt aus der Goethestraße. Er war ein ruhiger Vertreter, freundlich und gutmütig.
Kaum war die Schule zu Ende, da zogen die beiden zusammen. Isas Mutter war nämlich gestorben und vererbte ihr das kleine Haus am Borstenbach. Etwas älter, das Haus, ein bisschen baufällig, aber immerhin Eigentum.
Der Vater, ja, wo war eigentlich der Vater?
Ich weiß es nicht mehr.
Jedenfalls: Reinhard zog bei Isa ein.
Das war damals noch was, wilde Ehe. Wild war das bei denen sicher, denn Isa war eine streitsüchtige Hippe. Sie war in der Lehre, er war Student.
Als Isa im Städtischen Krankenhaus ihre Ausbildung zur Krankenschwester gemacht hat, hab ich gehofft und gebetet, dass ich nie in dieses Krankenhaus muss und nie von ihr versorgt werde.
In der Zeit studierte Reinhard in Bielefeld BWL. Wenn er vorher gewusst hätte, dass Isa ihm sein Leben lang vorwerfen würde, dass sie ihn während der Lehrebekocht und versorgt und finanziert hat, dann wäre Reinhard sicher früher laufen gegangen. Tat er aber nicht, er studierte weiter und machte Isa zwei Kinder. Iris und Jasmin.
Das muss hart für Isa gewesen sein: Examen, als sie schwanger war, dann kam das Kind, ein paar Wochen später arbeitete sie wieder. Reinhard machte den Hausmann und studierte weiter. Damals bewegten sich Isa‘s Mundwinkel schon stark abwärts.
Kurz danach war sie wieder schwanger, arbeitete wieder bis kurz vor der Geburt, kriegte das zweite Kind und ging wieder arbeiten. Er versorgte nun beide Kinder und studierte nebenbei weiter.
Wenn man abends am Borstenbach spazieren ging, konnte man Isa und Reinhard oft streiten hören. Da flog Geschirr, knallten Türen, kreischten die Kinder. Immer schrie sie ihn an, dass er auf ihre Kosten studieren würde, dass sie sich den Arsch aufreißen müsste für seine Karriere und so weiter.
Dann hatte er zu Ende studiert und bekam direkt einen Job in Berlin. Weg war er, und er ließ Isa und die Mädchen zurück.
Eva Hansmeier aus dem Lottoladen erzählte, dass Reinhard jeden Monat einen Scheck mit der Alimente schickte und dass Isa diesen Scheck jedesmal am Gartentor vor der Mülltonne zerriss. Sie wartete immer, bis jemand vorbei kam, um dann zu erzählen, dass Reinhard ein undankbares Mistvieh wäre, sie hätte ihn durchgefüttert und durchs Studium gebracht, und der Dank, der Dank sei nun, dass sie alleine sei und dieDrecksau - hätte Isa gesagt hat Eva gesagt, das sind nicht meine Worte - also dass die Drecksau sich nun mit irgendwelchen Flittchen in Berlin rumtriebe und es sich gut gehen ließe und dass er sie ganz fies ausgenutzt hätte, die ganze Zeit, und dass sie nun wie immer alles alleine machen müsse und so weiter und so fort.
Tja, was soll ich erzählen von Isa?
Sie hatte das mit den Kindern gut gemanagt. Sie war die erste im Ort, die sich eine Leih-Oma engagierte, das hieß nur damals nicht so. Oma Gerda zog in das grüne Haus am Borstenbach und passte auf die Kinder auf, wenn Isa Nachtdienst machte.
Viele Jahre später wurde Isa Gemeindeschwester. Seitdem hatte sie bei uns in der Klinik ein eigenes Büro. Auf meinem Flur. Deswegen kommt sie auch ab und zu in mein Zimmer und deswegen auch die Sache mit dem Kalender.
Den hat sie wahrscheinlich selbst geschenkt gekriegt und dann mir untergejubelt, weil sie nicht fett werden will. Obwohl sie damit kaum Probleme hat, dürr wie sie ist. Ich wollte ihr schon ein paar Mal sagen, dass
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