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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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entdeckte zufällig Geoffrey Rintouls Grab auf dem Gelände von Westerbrae und zeigte es mir. Ich fand die Entdeckung ungewöhnlich und beschloß, der Sache genauer nachzugehen.«
    Lynley bewahrte nur mit Mühe seine Ruhe. »Warum?«
    »Wegen Phillip Gerrards Testament«, warf Helen impulsiv ein. »Francescas Mann. Er verfügte, daß er unter keinen Umständen auf Westerbrae begraben werden wolle. Und wegen der Telefonate, die Lord Stinhurst am Morgen nach dem Mord machte. Es waren nicht nur Telefonate, mit denen er Termine absagen wollte, Tommy. Wegen -«
    Lynley sah St. James an, den Mann, von dem er Verrat niemals erwartet hätte. »Du hast ihnen von meinem Gespräch mit Stinhurst erzählt!«
    St. James senkte den Blick. »Ja. Es tut mir leid. Wirklich. Aber ich hatte keine Wahl.«
    »Du hattest keine Wahl?« Wiederholte Lynley ungläubig.
    Helen trat mit ausgestreckter Hand einen Schritt auf ihn zu. »Bitte, Tommy, ich weiß, wie dir zumute sein muß. Als hätten wir uns alle gegen dich verschworen. Aber so ist es nicht. Wirklich nicht. Bitte hör doch erst mal zu.«
    Mitgefühl von Helen war so ziemlich das letzte, was Lynley in diesem Moment ertragen konnte. Grausam, ohne Überlegung schlug er zu. »Ich denke, wir sind uns alle völlig im klaren darüber, wo deine Interessen liegen, Helen. Mit Objektivität kann man bei dir wohl in dieser Sache nicht rechnen.«
    Helens Hand fiel herab. Ihr Gesicht zeigte ihren Schmerz. St. James' Stimme war kalt und zornig, als er sprach: »Und bei dir ebensowenig, Tommy, wenn wir hier einmal der Wahrheit die Ehre geben wollen.« Er ließ einen Moment verstreichen, dann fuhr er in anderem Ton zu sprechen fort, jedoch so unerbittlich wie zuvor. »Lord Stinhurst hat dich belogen. Die Geschichte von seinem Bruder und seiner Frau stimmt nicht. Sie ist von A bis Z erfunden. Ich halte es für möglich, daß man in New Scotland Yard mit so einer Lüge von ihm rechnete und bereit war, sie zu decken. Man übertrug ganz bewußt dir diesen Fall, weil man annahm, daß du jegliche Geschichte, die Stinhurst dir auftischen würde, am ehesten glauben würdest. Sein Bruder und seine Frau hatten nie etwas miteinander, Tommy. Also, willst du jetzt die Fakten hören, oder sollen wir gehen?«
    Lynley war vor den Kopf gestoßen. »Was, in Gottes Namen, redest du da?«
    St. James ging zu einem Sessel. »Um dir das zu erklären, sind wir hergekommen. Aber ich glaube, wir könnten jetzt alle erst mal einen Cognac gebrauchen.«

    Während St. James berichtete, was sie über Geoffrey Rintoul in Erfahrung gebracht hatten, beobachtete Barbara Havers Lynley aufmerksam. Sie ahnte, daß er sich gegen die Fakten wehren würde. Gemeinsame Tradition, Erziehung und sein Gesellschaftsbild würden ihn verleiten, sich auf Rintouls Seite zu stellen und Fakten und Mutmaßungen zurückzuweisen. Und Barbara, die Polizeibeamtin, war sich völlig im klaren darüber, wie leicht einige ihrer Fakten umzustoßen waren. Tatsache war, daß sie darüber, ob Geoffrey Rintoul tatsächlich ein sowjetischer Agent gewesen war, nur Gewißheit bekommen würden, wenn sein Bruder Stuart es ihnen bestätigte.
    Ideal wäre es gewesen, wenn sie zu einem MI5-Computer Zugang gehabt hätten. Selbst ein Dossier über Geoffrey Rintoul mit dem Vermerk »streng geheim« hätte bestätigen können, daß der Mann von der Spionageabwehr unter die Lupe genommen worden war. Aber sie hatten keinen Verbindungsmann im MI5, der ihnen Gewißheit hätte geben können. Selbst der Special Branch von New Scotland Yard konnte ihnen nicht helfen, wenn der Yard selbst Lord Stinhursts Märchen über die Ereignisse, die zum Tod seines Bruders führten, sanktioniert hatte. Somit hing alles von Lynley ab; davon, ob er bereit sein würde, das wirre Netz seiner Vorurteile gegen Rhys Davies-Jones zu zerreißen und die Wahrheit ins Auge zu fassen. Und die Wahrheit war, daß Lord Stinhurst, und nicht Davies-Jones, Grund gehabt hatte, Joy Sinclairs Tod zu wünschen. Nachdem er von seiner Schwester den Schlüssel zu Joy Sinclairs Zimmer bekommen hatte, hatte er die Frau getötet, die mit ihrem Theaterstück das finsterste Geheimnis seiner Familie aufzudecken gedroht hatte.
    »Stinhurst muß also, als er den Namen Vassall in Joy Sinclairs Stück hörte, sofort gewußt haben, worum es ging«, schloß St. James. »Und jetzt überleg mal, Tommy - vieles in Geoffrey Rintouls Biographie spricht dafür, daß er ein Agent der Sowjets gewesen sein könnte. Er war in den dreißiger

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