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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Jahren in Cambridge auf der Universität. Wir wissen, daß die Sowjets in dieser Zeit dort wie die Wilden geworben und rekrutiert haben. Im Krieg ließ er sich nach seiner Verwundung auf den Balkan versetzen und hätte so Kontakt mit den Russen aufnehmen können. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sich herausstellen sollte, daß seine Befehlszentrale auf dem Balkan war. Zweifellos erhielt er dort damals seine wichtigsten Instruktionen: sich unbedingt eine Position im Verteidigungsministerium zu sichern. Weiß der Himmel, was alles er den Sowjets im Lauf der Jahre an wichtigen Geheiminformationen geliefert hat.«
    Keiner sagte etwas auf St. James' Ausführungen. Alle warteten auf Lynleys Reaktion. Der Ausdruck seines Gesichts verriet nicht, was in ihm vorging.
    »Sag mir noch einmal, wie Stinhursts Nachricht an Willingate lautete«, sagte er schließlich.
    St. James beugte sich vor. »Er ließ ausrichten, Wiederkehr zwinge ihn, Willingate in diesem Monat ein zweites Mal abzusagen. Und Willingate solle sich in Westerbrae melden, falls sich dadurch Probleme ergäben.«
    »Nachdem wir entdeckt hatten, wer Willingate ist, begriffen wir, was die Nachricht zu bedeuten hatte«, fuhr Barbara fort, von dem Bedürfnis getrieben, Lynley zu überzeugen.
    »Er wollte Willingate damit offenbar wissen lassen, daß die Tatsache, daß Geoffrey Rintoul ein Spion gewesen war, zum zweiten Mal ans Licht gekommen war. Das erste Mal war es wohl an jenem Silvesterabend 1962 gewesen. Und Willingate sollte deshalb in Westerbrae anrufen, um bei einem Problem zu helfen. Das Problem war natürlich Joy Sinclairs Ermordung und das von ihr geschriebene Stück, in dem alle Einzelheiten über Geoffreys Vergangenheit enthüllt wurden.«
    Lynley nickte.
    »Natürlich konnte Lord Stinhurst Willingate nicht selbst anrufen«, fuhr Barbara fort. »Bei einer Überprüfung der Telefongespräche von Westerbrae hätten wir den Anruf ja entdeckt. Darum rief er seine Sekretärin an, und sie erledigte den Rest. Und Willingate, der die Nachricht offenbar sofort verstand, hat ihn tatsächlich angerufen, Sir. Zweimal, glaube ich. Erinnern Sie sich? Mary Agnes sagte mir, sie hätte gehört, daß an diesem Morgen zwei Anrufe kamen. Sie müssen von Willingate gewesen sein. Das erste Mal erkundigte er sich wahrscheinlich, was passiert war. Und beim zweiten Mal teilte er Stinhurst mit, was er mit New Scotland Yard hatte vereinbaren können.«
    »Vergiß nicht«, bemerkte St. James, »daß uns Inspector Macaskin erzählte, die Kriminalpolizei Strathclyde hätte in diesem Fall den Yard überhaupt nicht um Unterstützung gebeten. Ihm und seinen Leuten wurde kurz und bündig mitgeteilt, daß der Yard den Fall übernehmen würde. Ich halte es für wahrscheinlich, daß Willingate das alles arrangierte. Er nahm vermutlich mit einer der höheren Chargen im Yard Verbindung auf, sorgte dafür, daß die Sache dort ins Rollen kam, und ließ Stinhurst dann wissen, was er zu erwarten hatte und welcher Beamte die Ermittlungen leiten würde. Stinhurst war zweifellos auf dein Erscheinen wohlvorbereitet, Tommy. Und er hatte den ganzen Tag Zeit gehabt, sich eine Geschichte zurechtzulegen, die du ihm abnehmen würdest. Es mußte selbstverständlich eine sehr persönliche und intime Geschichte sein, die du, als Gentleman, nicht weitergeben würdest. Er hätte sich wahrhaftig kaum etwas Besseres einfallen lassen können, als dieses Märchen vom außerehelichen Kind seiner Frau. Beinahe genial. Er konnte ja nicht ahnen, daß du mich ins Vertrauen ziehen würdest und ich - leider gar kein Gentleman - dein Vertrauen mißbrauchen würde. Es tut mir leid, daß ich es getan habe. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, so hätte ich Stillschweigen bewahrt. Ich hoffe, du glaubst mir das.«
    Lynley sagte nichts. Wortlos schenkte er sich einen weiteren Cognac ein und reichte die Karaffe an St. James weiter. Seine Hände zitterten nicht, sein Gesicht war verschlossen.
    Barbara, die ihn zwingen wollte, endlich Stellung zu beziehen, begann wieder zu sprechen. »Auf der Fahrt hierher haben wir uns gefragt, Sir, warum die Regierung es heute noch für nötig hält, sich in den Fall einzuschalten. Die Antwort ist vermutlich, daß man 1963 Rintouls Aktivitäten vertuscht hat - wahrscheinlich unter Zuhilfenahme des Official Secrets Act -, um dem Premierminister aus der Klemme zu helfen. Es wäre doch sehr peinlich für ihn gewesen, wenn man so bald nach den Skandalen um Vassall und Profumo schon

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