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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Lynley stand auf und trat mit Hannahs Brief in der Hand an den Tresen. »Denn sie ist ermordet worden, Mr. Darrow, und ich glaube, das wissen Sie schon seit fünfzehn Jahren. Offen gesagt war ich bis heute morgen überzeugt davon, daß Sie selbst sie getötet haben. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Aber ich bin fest entschlossen, heute erst wieder abzufahren, wenn Sie mir die Wahrheit gesagt haben. Joy Sinclair mußte sterben, weil sie der Wahrheit über den Tod Ihrer Frau zu nahe kam. Wenn Sie sich also einbilden sollten, man wird diesen Todesfall einfach auf sich beruhen lassen, nur weil Sie nicht darüber sprechen wollen, was 1973 hier im Dorf geschah, müssen Sie umdenken. Oder aber wir fahren alle zusammen nach Mildenhall und unterhalten uns mit Chief Constable Plater. Sie, Teddy und ich. Denn wenn Sie nicht bereit sind, mir zu helfen, muß ich mich an Ihren Sohn wenden, der sicher noch einige Erinnerungen an seine Mutter hat.«
    »Den Jungen lassen Sie da gefälligst raus! Der hat damit nichts zu tun. Er hat's nie erfahren.«
    »Was denn?« fragte Lynley und blickte Darrow in das verschlossene, mißtrauische Gesicht. »Jetzt hören Sie mal zu, Darrow. Ich weiß nicht, was damals geschah. Aber letztes Wochenende wurde ein sechzehnjähriger Junge - ein Junge wie Ihr Sohn - brutal ermordet, weil sich ein Killer von ihm bedroht fühlte. Derselbe Killer - davon bin ich felsenfest überzeugt -, der Ihre Frau getötet hat. Und ich weiß, daß sie ermordet wurde. Mann, helfen Sie mir, ehe noch ein Mensch umkommt.«
    Darrow starrte ihn mit stumpfem Blick an. »Ein Junge, sagen Sie?«
    Lynley spürte, wie Darrows Abwehr bröckelte, und nahm seinen Vorteil wahr. »Ein Junge namens Gowan Kilbride. Er wollte nichts weiter im Leben, als nach London gehen und ein zweiter James Bond werden. Aber dann wurde er in einem Haus in Schottland umgebracht. Auf grausamste Weise. Sein Gesicht und seine Brust waren von kochend heißem Wasser verbrüht, und in seinem Rücken steckte ein Fleischermesser. Und wenn der Killer als nächstes hierher kommt, weil er herausbringen möchte, was genau Joy Sinclair von Ihnen erfahren hat - wie wollen Sie sich oder Ihren Sohn vor einem Mann oder einer Frau schützen, die Sie nicht einmal kennen?«
    Darrows Gesicht war anzusehen, daß er mit sich kämpfte. Sollte er tun, was Lynley von ihm verlangte - in die Vergangenheit zurückkehren, alles noch einmal durchleben? In der Hoffnung, sich und seinen Sohn vor einem Mörder zu schützen, der vor vielen Jahren auf so grausame Weise in ihr Leben eingegriffen hatte.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. »Es war ein Mann.«

    Darrow sperrte die Tür zum Gasthaus ab, und sie setzten sich an einen Tisch beim Kamin. Er nahm vom Tresen eine Flasche Whisky mit, machte sie auf und schenkte sich ein. Ohne ein Wort zu sagen, trank er, als hätte er für das, was auf ihn zukam, Stärkung nötig.
    »Sie sind Hannah gefolgt, als sie an dem Abend damals aus der Wohnung ging«, sagte Lynley.
    Darrow wischte sich den Mund mit dem Handrücken.
    »Ja. Sie sollte mir und einem Mädchen aus dem Dorf hier unten helfen, drum war ich in die Wohnung raufgegangen, um sie zu holen. Und da hab ich auf dem Küchentisch einen Brief gefunden. Aber es war nicht der Brief, den Sie da in der Akte haben. Es war einer, in dem sie mir schrieb, daß sie mich verlassen würde. Daß sie mit irgend so einem geschniegelte!Kerl nach London gehen würde. Zum Theater.«
    Also doch, dachte Lynley. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen, auch wenn alles, was er von St. James und Helen, Barbara Havers und Stuart Stinhurst gehört hatte, in eine ganz andere Richtung zu weisen schien.
    »Das war alles, was in dem Brief stand?«
    Darrow schüttelte finster den Kopf und starrte in sein Glas, aus dem ein starker Malzgeruch aufstieg. »Nein. Sie hat mich beschimpft und mit dem anderen verglichen, denn ich sollte wissen, was sie getrieben hatte und warum sie gehen wollte. Sie wolle einen richtigen Mann haben, schrieb sie, einen, der wüßte, wie man eine Frau richtig liebt und glücklich macht. Ich hätte sie nie glücklich gemacht, schrieb sie. Ich sollte mir an ihrem Liebhaber ein Beispiel nehmen, dann würde ich vielleicht noch mal eine Frau finden. Als wollte sie mir damit noch einen Gefallen tun.«
    »Woher wußten Sie, wohin sie wollte?«
    »Ich hab sie gesehen. Als ich den Brief gelesen hatte, ging ich zum Fenster. Sie muß knapp vorher gegangen sein, vielleicht ein, zwei

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