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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Minuten, ehe ich in die Wohnung raufkam. Ich hab sie noch draußen auf der Straße gesehen. Sie hatte einen großen Koffer dabei und ging rüber zu dem Weg am Kanal, der durch Mildenhall Fen führt.«
    »Dachten Sie gleich an die Mühle?«
    »Ich dachte an gar nichts, außer daß ich das kleine Luder erwischen und grün und blau schlagen wollte. Aber dann hab ich mir überlegt, daß es mir viel besser schmecken würde, wenn ich ihr nachgeh und sie mit dem Kerl zusammen erwisch. Dann hätt ich sie gleich beide vertrimmt, verstehen Sie. Also hab ich immer schön Abstand gehalten.«
    »Sie hat nicht gemerkt, daß Sie ihr folgten?«
    »Es war dunkel. Ich hab mich ganz am Rand vom Weg gehalten, wo er dicht bewachsen war. Sie hat sich zwei- oder dreimal umgeschaut. Ich dachte, sie hätte was gemerkt, aber dann ging sie ganz ruhig weiter. An der Stelle, wo der Kanal einen Knick macht, war sie mir ein ziemliches Stück voraus, drum sah ich nicht, daß sie zur Mühle abbog, und ging weiter - vielleicht dreihundert Meter oder so. Als ich merkte, daß sie nicht mehr vor mir war, wußte ich gleich, wo sie verschwunden war - es gab nicht viele andere Möglichkeiten da draußen, verstehen Sie. Ich bin umgekehrt und dann zur Mühle abgebogen. Ihr Koffer lag ungefähr dreißig Meter hinter der Abzweigung auf dem Weg.«
    »Sie war ohne ihn weitergegangen?«
    »Er hatte ein Riesengewicht. Ich dachte, sie wär in die Mühle gegangen, um ihrem Kerl zu sagen, daß er den Koffer für sie holen soll. Drum hab ich gewartet. Ich wollt ihn mir gleich da auf dem Weg greifen. Und dann wollte ich in die Mühle und mit ihr abrechnen.«
    Darrow schenkte sich neu ein und schob die Flasche Lynley zu, der jedoch ablehnte.
    »Aber es kam keiner, um den Koffer zu holen«, fuhr er fort. »Ich hab ungefähr fünf Minuten gewartet. Dann hab ich mich näher an die Mühle rangeschlichen, weil ich sehen wollte, was sie trieben. Ich war noch nicht mal bei der Lichtung, als der Kerl rausgerannt kam. Er rannte um die Ecke, dann hörte ich ein Auto, und weg war er.«
    »Haben Sie ihn sehen können?«
    »War viel zu dunkel. Und ich war zu weit weg. Ich hab noch einen Moment gewartet, dann bin ich zur Mühle gegangen. Und da hab ich sie gefunden.« Er stellte sein Glas auf den Tisch. »Erhängt.«
    »War alles genauso wie auf den Polizeifotos?«
    »Ja. Nur aus ihrer Manteltasche schaute ein Zettel raus.
    Den hab ich rausgezogen. Das war der Brief, den ich dann der Polizei gegeben hab. Gleich beim Lesen hab ich gemerkt, daß es nach Selbstmord aussehen sollte.«
    »Ja. Aber es hätte nicht nach Selbstmord ausgesehen, wenn Sie ihren Koffer am Weg liegengelassen hätten. Aber Sie haben ihn mit nach Hause genommen.«
    »Ja. Ich hab ihn raufgebracht. Dann hab ich Alarm geschlagen. Ich hab allen den Zettel aus ihrer Manteltasche gezeigt. Den anderen Brief hab ich verbrannt.«
    Trotz allem, was der Mann durchgemacht hatte, verspürte Lynley Zorn. Hier war in kaltem Blut eine junge Frau getötet worden, und fünfzehn Jahre lang war dieser Mord ungesühnt geblieben.
    »Aber warum haben Sie das alles getan?« fragte er. »Wollten Sie denn nicht, daß der Mörder bestraft wird?«
    Darrow warf ihm einen Blick zu, in dem sich Spott und Verachtung mischten. »Sie haben offensichtlich keinen Schimmer, wie's auf dem Land zugeht, Mann. Können Sie sich vorstellen, wie man sich vorkommt, wenn das ganze Dorf weiß, daß einem die Frau mit einem anderen durchbrennen wollte, nur weil der im Bett mehr drauf hatte? Und daß der Kerl sie dann auch noch umgebracht hat? Nicht der eigene Mann, nein - das hätten alle im Dorf verstanden -, sondern genau der Mistkerl, der's heimlich mit ihr getrieben und dem Ehemann Hörner aufgesetzt hat. Und glauben Sie vielleicht, das alles wär nicht rausgekommen, wenn ich damit rausgerückt wäre, daß Hannah ermordet worden war?« Darrow wartete nicht auf eine Antwort. »Auf diese Weise mußte wenigstens Teddy nie erfahren, was seine Mutter für eine war. Für mich war Hannah tot. Und Teddy war's wert, den Mörder laufen zu lassen.«
    »Besser eine Mutter, die Selbstmord begangen hat, als ein Vater, dem Hörner aufgesetzt worden sind?« fragte Lynley. Darrow schlug mit der Faust auf den fleckigen Tisch.
    »Genau! Mit mir hat er nämlich in diesen fünfzehn Jahren leben müssen. Mir hat er jeden Tag ins Gesicht schauen müssen. Und wenn er das tut, soll er einen Mann sehen, verstehen Sie. Nicht einen verdammten Schwächling, der's nicht fertiggebracht

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