Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
schon sauber kriegen«, meinte er lachend. Dann winkte er ihnen zu und flitzte hinaus.
    Als die Tür sich hinter dem Jungen geschlossen hatte, wandte sich Darrow an Lynley. »Ich hab ihre Sachen oben auf dem Speicher. Ich wär Ihnen dankbar, wenn Sie sich die Tagebücher da oben anschauen würden, sonst kreuzt womöglich Teddy hier auf und will sehen, was Sie da lesen. Aber es ist kalt. Ziehen Sie lieber Ihren Mantel wieder an.«
    Er ging Lynley voraus durch ein spärlich eingerichtetes Wohnzimmer, dann durch einen düsteren Flur, an dem die beiden Schlafzimmer lagen. Am Ende des Ganges griff er zu einer Falltür in der Decke, stieß sie nach oben und zog eine Klappleiter aus Metall herunter, die relativ neu zu sein schien.
    Als hätte er Lynleys Gedanken gelesen, sagte er: »Ich geh ab und zu mal rauf. Immer wenn ich eine Erinnerung brauche.«
    »Eine Erinnerung?«
    Trocken gab ihm Darrow die Erklärung. »Wenn ich mal Sehnsucht nach einer Frau hab. Dann schau ich mir Hannahs Tagebücher an. Und dann vergeht's mir auf der Stelle.«
    Er stieg die Leiter hinauf.
    Auf dem Speicher war es kalt und muffig wie in einer Gruft. Dicker Staub, der bei jeder Bewegung in Wolken in die Höhe wirbelte, hatte sich auf Kisten, Kartons und ausrangierten Möbelstücken abgelagert. Der Raum war klein, von Gerüchen nach Mottenkugeln, modriger Kleidung, feuchtem, langsam verrottendem Holz erfüllt. Ein blasser Lichtstrahl fiel durch das einzige, schmutzverschmierte Fenster im Dach.
    Darrow zog an einer Schnur, die von der Decke herabhing, und eine nackte Glühbirne warf ihren Lichtschein auf den Boden darunter. Er wies mit dem Kopf auf zwei alte Schiffskoffer, die rechts und links von einem alten Stuhl standen. Weder der Stuhl noch die Koffer waren staubig. Lynley fragte sich, wie oft Darrow hier heraufzukommen pflegte in die Totengruft seiner Ehe.
    »Ihre Sachen sind nicht geordnet«, sagte Darrow. »Mir war alles egal damals. An dem Abend, an dem sie gestorben ist, hab ich die Sachen aus dem Koffer nur schnell in ihre Kommode gestopft, bevor ich die Leute im Dorf zusammengetrommelt hab, um sie zu suchen. Und später, nach der Beerdigung, hab ich einfach alles in die zwei Koffer da gepackt.«
    »Warum hatte sie an dem Abend zwei Mäntel und zwei Pullover an?«
    »Habgier, Inspector. Die Sachen haben nicht mehr in ihren Koffer gepaßt. Wenn sie sie also mitnehmen wollte, mußte sie sie entweder tragen oder anziehen. Wahrscheinlich kam's ihr einfacher vor, sie anzuziehen. Kalt genug war's ja.«
    Darrow zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und sperrte die Schiffskoffer auf. Er klappte die Deckel auf und sagte dann: »So, da haben Sie alles. Das Tagebuch, das für Sie interessant ist, liegt ganz oben auf dem Stapel. Ich laß Sie jetzt allein.«
    Nachdem Darrow gegangen war, setzte Lynley seine Brille auf. Aber er griff nicht gleich nach den fünf Tagebüchern, die auf den Kleidern lagen. Er sah sich zuerst die anderen Sachen an, um sich wenn möglich ein Bild von Hannah Darrow zu machen.
    Ihre Kleider waren alle von der gleichen Sorte - billig gemacht, mit einem Anspruch auf teuren Schick. Es waren größtenteils auffallende Sachen - Pullover mit Glitzer, enge Röcke, kurze, tief ausgeschnittene Kleider aus dünnem Material, enge Hosen mit ausgestellten Beinen. Bei genauerem Hinsehen bemerkte er, daß der Stoff an den Nähten zu reißen drohte. Sie hatte ihre Sachen offenbar hauteng getragen.
    Aus einem Plastikköfferchen stieg ein merkwürdiger, ranziger Geruch auf. Es enthielt ein großes Sortiment an billigen Kosmetika und Cremes - eine Palette verschiedener Lidschatten, ein halbes Dutzend Lippenstifte, alle sehr dunkel, Wimperntusche, Make-up, Puder, ein Päckchen Watte. In einer Seitentasche steckten ihre Antibabypillen.
    Eine Einkaufstüte aus Norwich enthielt eine Kollektion neuer Unterwäsche, Reizwäsche, wie sie in billigen Katalogen als verführerisch angepriesen wird. Winzige Bikinihöschen aus roter, schwarzer oder violetter Spitze, Strumpfbänder aus dem gleichen Material und in den gleichen Farben, durchsichtige Büstenhalter mit neckischen kleinen Schleifchen, enge, bis zur Hüfte geschlitzte Halbunterröcke aus satinartiger Kunstfaser.
    Unter der Tüte lag ein Bündel Fotografien. Sie zeigten alle Hannah selbst, immer in Pose, geputzt und geschminkt, ob sie nun nachlässig an einen Zaun gelehnt stand, von einem Pferderücken herunterlachte oder am Strand saß und sich das Haar vom Wind zerzausen ließ. Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher