Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
es in Erinnerung hatte: Robert Gabriel starrte Lord Stinhurst an und wartete offenbar darauf, daß er entweder Joy zum Schweigen bringen oder seiner Schwester zu Hilfe kommen würde; Irene Sinclair saß bleich in ihrem Sessel und sagte kein Wort, während der Streit immer heftiger wurde; Joanna Ellacourt schleuderte ihr Manuskript auf den Boden und rauschte hocherhobenen Hauptes aus dem Zimmer; ihr Mann, David Sydeham, folgte ihr auf dem Fuß; Joy Sinclair saß an dem kleinen Lesepult und sah lächelnd Lord Stinhurst an, der plötzlich aufsprang, sie am Arm packte, nach nebenan in das Frühstückszimmer zerrte und die Tür zuschlug.
    »Und dann«, schloß Helen, »rannte Elizabeth Rintoul zu ihrer Tante Francesca. Ich hatte den Eindruck, daß sie weinte, was für sie eigentlich sehr untypisch ist.«
    »Wieso?«
    »Ich weiß auch nicht. Elizabeth kommt mir immer so vor, als hätte sie das Weinen schon vor langer Zeit aufgegeben«, antwortete Helen. »Ich glaube, sie hat eine ganze Menge aufgegeben. Darunter auch Joy Sinclair. Die beiden waren einmal enge Freundinnen, wie Rhys mir erzählte.«
    »Du hast nicht erwähnt, was er nach der Lesung tat«, bemerkte Lynley. Doch er ließ ihr keine Zeit zu einer Antwort, sondern fügte ohne Pause hinzu: »Dann war der Streit eigentlich nur zwischen Stinhurst und Joy Sinclair? Die anderen hatten keinen Anteil daran?«
    »Nein. Nur Stinhurst und Joy. Ich konnte ihre Stimmen aus dem Frühstückszimmer hören.«
    »Haben sie geschrieen?«
    »Joy, ja, ein bißchen. Von Stinhurst habe ich eigentlich fast gar nichts gehört. Er hat es wahrscheinlich nicht nötig, die Stimme zu erheben, um sich Gehör zu verschaffen. Den Eindruck macht er mir jedenfalls. Das einzige, was ich deutlich hören konnte, waren ein paar laute Worte von Joy. Es ging um einen gewissen Alec. Sie sagte, Alec hätte es gewußt, und darum hätte Lord Stinhurst ihn umgebracht.«
    Helen hörte, wie Barbara Havers neben ihr den Atem einsog, und sah den Blick, den sie Lynley zuwarf.
    »Aber das war bestimmt nicht wörtlich gemeint, Tommy«, fügte sie hastig hinzu. »Etwa so, wie wenn man sagt, ›das wird deine Mutter umbringen‹. Du weißt, was ich meine. Lord Stinhurst hat jedenfalls nicht einmal etwas darauf erwidert. Er verließ einfach das Zimmer und sagte nur, er sei mit ihr fertig. So etwas in dem Sinn.«
    »Und dann?«
    »Joy und Stinhurst gingen nach oben. Getrennt. Sie sahen beide fürchterlich aus. Als hätte keiner durch den Streit etwas gewonnen und als wünschten sie, es wäre nie dazu gekommen. Jeremy Vinney wollte etwas zu Joy sagen, als sie in die Halle kam, aber sie antwortete ihm überhaupt nicht. Vielleicht weinte sie auch. Ich konnte es nicht erkennen.«
    »Und was hast du nach dem Streit getan, Helen?«
    Lynley blickte in den Aschenbecher, starrte auf die Zigarettenstummel darin und die Asche, die grau auf der Tischplatte lag.
    »Ich hörte jemanden im Salon und ging hinein, um zu sehen, wer es war.«
    »Warum?«
    Helen überlegte, ob sie lügen, ihm eine amüsant!Beschreibung von sich selbst auftischen sollte, wie sie, wie eine junge Miss Marple, von unbezähmbarer Neugier getrieben durch das Haus geschlichen war. Doch sie entschied sich für die Wahrheit.
    »Ich habe Rhys gesucht, Tommy.«
    »Aha. Der war wohl verschwunden?«
    Sie ärgerte sich über seinen Ton. »Alle waren verschwunden.«
    Sie sah, daß St. James mit seiner Spurensicherung fertig war. Er setzte sich in den Sessel neben der Tür, lehnte sich zurück und hörte schweigend dem Gespräch zu. Helen wußte, daß er sich keine Notizen machen würde. Aber er würde jedes Wort im Kopf behalten.
    »Und war Davies-Jones im Wohnzimmer?«
    »Nein. Aber Lady Stinhurst - Marguerite Rintoul. Und Jeremy Vinney. Kann sein, daß er eine Story für seine Zeitung witterte. Ich hatte den Eindruck, er versuchte krampfhaft, aus ihr herauszubekommen, was eigentlich geschehen war. Allerdings ohne Erfolg. Ich habe sie angesprochen, weil - also, ehrlich gesagt, sie wirkte wie unter Schock. Sie hat dann auch ein paar Worte mit mir gesprochen. Es war seltsam, sie sagte fast das gleiche wie Francesca vorher im Salon zu ihrem Mann. ›Sagen Sie ihr, sie soll aufhören.‹ Oder so ähnlich.«
    »Wen meinte sie? Joy Sinclair?«
    »Oder vielleicht Elizabeth, ihre Tochter. Ich hatte gerade von Elizabeth gesprochen. Ich glaube, ich sagte: ›Soll ich Elizabeth holen?‹«
    Helen fühlte sich wie eine Verdächtige bei einem hochnotpeinlichen Verhör. Während

Weitere Kostenlose Bücher