Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
»Was willst du damit sagen? Daß Rhys für das Wochenende extra etwas mitgenommen hatte, um mich zu betäuben? Damit er dann in aller Ruhe Joy Sinclair ermorden konnte - seine eigene Cousine? Und ich ihm dann ein Alibi geben würde? Ist es das, was dir im Kopf herumgeht?«
    »Du hast gesagt, ihr hättet euch unterhalten, Helen. Soll ich das so verstehen, daß ihr euch, nachdem du den Cognac oder was sonst in der Flasche ist, zurückgewiesen hattest, den Rest der Nacht mit geistsprühender Konversation vertrieben habt?«
    Seine Weigerung, ihre Frage zu beantworten, sein unbeirrbares Festhalten an den Formalien eines polizeilichen Verhörs, solange es ihm zweckdienlich war, sein leichthin gefaßter Entschluß, einem Mann die Schuld in die Schuhe zu schieben und die Tatsachen dann entsprechend zurechtzubiegen, machte sie wütend. Als sie ihm antwortete, sprach sie langsam und überlegt, im vollen Bewußtsein dessen, was sie tat und wie es sich auf ihre Freundschaft auswirken würde.
    »Nein, natürlich nicht, Tommy. Wir haben uns geliebt. Danach haben wir geschlafen. Und dann, viel später, haben wir uns noch einmal geliebt.«
    Lynley zeigte keinerlei Reaktion auf ihre Worte. Der Gestank von kaltem Rauch wurde plötzlich unerträglich. Am liebsten hätte sie den Aschenbecher zum Fenster hinausgeworfen. Oder ihm ins Gesicht.
    »Das ist alles?« fragte er. »Er ist in der Nacht nicht weggegangen? Er ist nicht aufgestanden?«
    Er war zu schnell für sie. Sie schaffte es nicht, ihr Gesicht zu verschließen.
    »Aha«, sagte er sofort. »Er ist also aufgestanden. Um welche Zeit, Helen?«
    Sie senkte ihren Blick. »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du geschlafen?«
    »Ja.«
    »Und was weckte dich?«
    »Ein Geräusch. Ich glaube, es war ein Streichholz. Er stand am Tisch und rauchte.«
    »Angekleidet?«
    »Nein.«
    »Und er rauchte nur?«
    Sie zögerte kurz. »Ja. Er rauchte. Ja.«
    »Aber dir ist noch etwas aufgefallen, nicht wahr?«
    »Nein. Es ist nur ...« Er zog die Worte aus ihr heraus. Er zwang sie, Dinge zu sagen, die unausgesprochen hätten bleiben müssen.
    »Nur was? Dir ist etwas aufgefallen an ihm? Irgend etwas stimmte nicht?«
    »Nein. Nein!« Lynleys Blick - scharf und durchdringend - zwang sie nieder. »Ich ging zu ihm, und seine Haut war feucht.«
    »Feucht? Hatte er gebadet?«
    »Nein. Salzig. Er war - seine Schultern - er schwitzte. Und dabei war es hier so kalt.«
    Lynley sah automatisch zur Verbindungstür.
    »Begreifst du denn nicht, Tommy? Es war der Cognac. Er wollte trinken. Er war - er konnte es kaum noch aushalten. Es ist wie eine Krankheit. Mit Joy hatte es überhaupt nichts zu tun.«
    Es war, als hätte sie nicht gesprochen. Lynley verfolgte offensichtlich seine eigenen Gedankengänge. »Wie viele Zigaretten hat er geraucht, Helen?«
    »Fünf oder sechs. Was du hier siehst.«
    Er spann schon an einem Netz. Helen sah es. Wenn Rhys Davies-Jones Zeit gehabt hatte, die sechs Zigaretten zu rauchen, die zusammengedrückt in dem Aschenbecher lagen, und sie erst aufgewacht war, als er die letzte geraucht hatte, was konnte er dann noch alles getan haben? Daß sie genau wußte, wie Rhys die Stunden zugebracht hatte, während sie geschlafen hatte, daß er verzweifelt gegen die Gier nach dem Cognac gekämpft hatte, das interessierte Lynley nicht. Er sah nur, daß Rhys die Zeit gehabt hatte, die Tür aufzusperren, seine Cousine zu töten und, schweißnaß vor Furcht oder Erregung, in Helens Zimmer zurückzukehren. All das las Helen aus der Stille, die ihren letzten Worten folgte.
    »Er wollte etwas trinken«, sagte sie. »Aber er darf nicht trinken. Darum rauchte er. Das ist alles.«
    »Aha. Ich verstehe. Er ist Alkoholiker?«
    Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Es ist nur ein Wort, hätte Rhys mit seinem sanften Lächeln gesagt. Ein Wort allein besitzt keine Macht, Helen.
    »Ja.«
    »Er ist also aufgestanden, und du bist überhaupt nicht aufgewacht. Er rauchte fünf oder sechs Zigaretten, und du bist nicht aufgewacht.«
    »Sag's doch - er sperrte die Tür auf, um Joy Sinclair zu ermorden, und ich bin nicht aufgewacht. Das willst du doch sagen, oder?«
    »Seine Fingerabdrücke sind auf dem Schlüssel, Helen.«
    »Natürlich. Das bezweifle ich nicht. Er sperrte die Tür ab, ehe wir ins Bett gingen. Oder willst du jetzt sagen, daß das zu seinem Plan gehörte? Dafür zu sorgen, daß ich sah, wie er die Tür absperrte, damit es später eine logische Erklärung für seine Fingerabdrücke gab? Hast du dir's so

Weitere Kostenlose Bücher