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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Fragen beantwortet?« fragte sie abrupt.
    St. James lächelte, und das sonst unattraktive, kantige Gesicht wurde warm und zutraulich. »Du weißt doch, daß ich dich immer um deine Fähigkeit beneidet habe, alles zu verschlafen, Helen, sei es Feuer, Donner oder Erdbeben. Wie oft habe ich stundenlang hellwach neben dir gelegen und dich dafür verflucht, daß nichts dir deinen Schlaf der Unschuld rauben konnte! Ich weiß noch, daß ich dachte, ich könnte das ganze königliche Kavallerieregiment durch dein Schlafzimmer galoppieren lassen, und du würdest es überhaupt nicht merken. Aber nein, ich hätte ihm keine Antwort gegeben. Es gibt gewisse Dinge, die trotz allem, was geschehen ist, nur uns beide angehen.«
    Nun kamen ihr doch die Tränen. Sie stiegen heiß hinter ihren Lidern auf, aber sie drängte sie zurück und wandte sich von ihm ab, während sie sich bemühte, nicht die Fassung zu verlieren. St. James wartete nicht auf eine Erwiderung von ihr. Er zog sie behutsam zu einer schmalen Bank, die auf dünnen Beinen an einer der Wände stand. Mehrere Mäntel hingen an Haken darüber, und er nahm zwei von ihnen herunter, legte einen ihr um die Schultern, den anderen sich selbst, um die Kälte in der Kammer abzuwehren.
    »Abgesehen von den Änderungen, die Joy im Manuskript gemacht hatte - ist dir sonst noch etwas aufgefallen, was zu der Szene gestern abend geführt haben könnte?« fragte er.
    Helen überdachte die Stunden, die sie vor dem Tumult im Salon mit der Gruppe aus London zugebracht hatte.
    »Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen. Aber ich hatte den Eindruck, daß alle ziemlich gereizt waren.«
    »Und wer im besonderen?«
    »Auf jeden Fall Joanna Ellacourt. Nach allem, was ich gestern beim Cocktail mitbekam, hatte sie Angst, Joy könnte das Stück so umgeschrieben haben, daß es vor allem dazu diente, ihrer Schwester zu einer neuen Karriere zu verhelfen.«
    »Ja, ich kann mir vorstellen, daß ihr das zu schaffen machte.«
    Helen nickte. »Mit der Uraufführung von Joys Stück sollte ja nicht nur die Eröffnung des neuen Agincourt Theatre gefeiert werden, sondern auch Joannas zwanzigstes Bühnenjubiläum, Simon. Da erwartete sie natürlich, daß der Glanz auf sie fallen würde und nicht auf Irene Sinclair. Aber sie fürchtete offenbar, es würde genau umgekehrt werden.«
    Helen berichtete von der kurzen Szene, die sie am vergangenen Abend im Wohnzimmer miterlebt hatte, als man sich vor dem Abendessen dort eingefunden hatte. Lord Stinhurst hatte mit Rhys Davies-Jones beim Klavier gestanden und einen Stapel Kostümentwürfe durchgesehen, als Joanna Ellacourt in einem tief ausgeschnittenen funkelnden Abendkleid zu ihnen getreten war. Sie hatte die Entwürfe genommen, und ihr Gesicht hatte augenblicklich verraten, was dabei in ihr vorging.
    »Joanna war mit Irene Sinclairs Kostümen nicht einverstanden«, vermutete St. James.
    »Sie behauptete, jedes einzelne Kostüm sei nur dazu gedacht!Irene herauszustreichen - als Vamp, sagte sie, wenn ich mich recht erinnere. Sie knüllte die Zeichnungen zusammen, erklärte Stinhurst, seine Designer müßten sich etwas Neues einfallen lassen, wenn ihm daran läge, daß sie in seinem Stück mitspiele, und warf die Entwürfe ins Feuer. Sie war wirklich außer sich vor Wut, und ich glaube, als sie später das Stück zu lesen begann, sah sie an den Änderungen, die Joy vorgenommen hatte, ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Das war meiner Ansicht nach der Grund, warum sie das Buch einfach hinschmiß und ging. Und Joy - also, ich hatte das Gefühl, daß sie den Tumult und die Aufregung, die sie ausgelöst hatte, genoß.«
    »Was war sie für ein Mensch, Helen?«
    Die Frage war nicht leicht zu beantworten. Sie war eine aparte, auffallende Frau gewesen. Nicht schön, erklärte Helen. Sie hatte ausgesehen wie eine Zigeunerin, mit olivbrauner Haut und schwarzen Augen, feingemeißelten, beinahe scharfen Zügen, die sowohl Intelligenz als auch Stärke verrieten. Sie hatte eine starke sinnliche Ausstrahlung. Selbst eine rasche ungeduldige Bewegung, etwa um einen Ohrring abzunehmen, hatte wie eine Geste der Verheißung wirken können.
    »Verheißung für wen?« fragte St. James.
    »Das ist schwer zu sagen. Aber ich würde meinen, daß Jeremy Vinney der Mann war, der sich hier am meisten für sie interessierte. Er sprang sofort auf und ging zu ihr, als sie gestern abend ins Zimmer kam - sie war die letzte -, und er saß auch beim Essen neben ihr.«
    »War etwas zwischen den

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