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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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erzählt. Er hatte über die Renovierung des Agincourt in einer Reihe von Reportagen in der Times berichtet. Vermutlich betrachtete er dieses Wochenende als eine natürliche Fortsetzung seiner Artikelserie. Er rief mich an und fragte, ob er mitkommen könne. Mir schien nichts dabei zu sein, und ich fand, ein bißchen gute Presse vor der Eröffnung könne nicht schaden. Im übrigen schienen er und Joy sich gut zu kennen. Sie wollte unbedingt, daß er mitkommt.«
    »Aber weshalb lag ihr soviel daran? Er ist doch Kritiker, nicht wahr? Warum wollte sie ihm schon so früh im Produktionsprozeß in ihr Stück Einblick geben? Oder war er ihr Liebhaber?«
    »Möglich. Männer fanden Joy immer ungeheuer attraktiv. Vinney wäre nicht der erste gewesen.«
    »Warum haben Sie die Manuskripte verbrannt?«
    Lynley stellte die Frage in einem Ton, der kein Ausweichen duldete. Und Stinhursts Miene verriet, daß er bereit war, sich damit abzufinden.
    »Das hatte mit Joys Tod nichts zu tun, Thomas. Das Stück wäre sowieso nicht aufgeführt worden. Nachdem ich meine Unterstützung zurückgezogen hatte - und das tat ich gestern abend -, wäre es von selbst gestorben.«
    »Gestorben. Eine interessante Wortwahl. Aber warum haben Sie dann die Manuskripte verbrannt?«
    Stinhurst antwortete nicht. Sein Blick war ins Feuer gerichtet. Er kämpfte offensichtlich mit einem Entschluß. Der Kampf spiegelte sich auf seinen Gesichtszügen. Aber sie sagten nichts darüber aus, was bei diesem Kampf auf dem Spiel stand.
    »Die Manuskripte«, wiederholte Lynley unerbittlich.
    Stinhurst schien sich einen Ruck zu geben.
    »Ich habe sie wegen des Themas verbrannt, das Joy sich gewählt hatte«, antwortete er. »Das Stück handelte von meiner Frau Marguerite. Und ihrer Liebesbeziehung zu meinem älteren Bruder. Und von dem Kind der beiden. Elizabeth.«

5
    Gowan Kilbride litt ganz neue Qualen. Sie begannen in dem Moment, als Constable Lonan die Tür der Bibliothek öffnete und herausrief, daß die Londoner Polizei Mary Agnes zu sprechen wünsche. Sie steigerten sich, als Mary Agnes mit unverhohlenem Eifer auf die Beine sprang. Und sie erreichten ihren Höhepunkt angesichts der Tatsache, daß sie ihm seit fünfzehn Minuten aus den Augen und seinem bemühten, wenn auch kaum ausreichenden Schutz entzogen war. Schlimmer noch, sie stand jetzt unter dem sicheren, absolut ausreichenden männlichen Schutz von New Scotland Yard.
    Und was war der Kern des Problems?
    Als die Dreiergruppe aus London - insbesondere aber der große blonde Inspector - nach dem kurzen Gespräch mit Lady Helen Clyde aus der Bibliothek gegangen war, hatte sich Mary Agnes mit leuchtenden Augen Gowan zugewandt. »Ist er nicht himmlisch«, hatte sie gehaucht.
    Die Bemerkung ließ Böses ahnen, doch Gowan, verrückt vor Liebe, hatte sie nicht auf sich beruhen lassen können.
    »Himmlisch?« hatte er gereizt gefragt.
    »Der Polizist.« Worauf Mary Agnes ihm in allen Tönen des Registers das Lob Inspector Lynleys gesungen hatte. Haare wie Anthony Andrews, eine Nase wie Charles Dance, Augen wie Ben Cross und ein Lächeln wie Sting. Daß der Mann nicht ein einziges Mal gelächelt hatte, spielte keine Rolle. Mary Agnes konnte sich die Einzelheiten auch so ausmalen, wenn es nicht anders ging.
    Es war schon schlimm genug gewesen, in aussichtsloser Konkurrenz mit Jeremy Irons zu stehen. Jetzt aber sah Gowan sich im Kampf mit der gesammelten Streitmacht britische!Bühnenschauspieler, die für Mary Agnes in diesem einen Mann verkörpert waren. Er konnte nur noch verzweifelt mit den Zähnen knirschen.
    Er saß in einem mit Kretonne bezogenen Sessel, dessen Stoff sich nach so vielen Stunden wie eine steife zweite Haut anfühlte. Neben ihm stand auf einem reich verschnörkelten, vergoldeten Sockel Mrs. Gerrards kostbarer Globus. Gowan starrte ihn mürrisch an. Am liebsten hätte er ihn umgestoßen. Oder noch besser, zum Fenster hinausgeworfen. Wenn er doch nur endlich hier raus könnte!
    Er versuchte sich abzulenken, indem er den Blick durch die Bibliothek schweifen ließ, die von Besuchern immer so bewundert wurde. Aber er entdeckte nichts, was er bewundernswert fand. Die weißen Stuckachtecke an der Decke brauchten dringend einen Anstrich, und ebenso die Buketts in ihrer Mitte. Kohlefeuer und Zigarettenrauch hatten Decke und Wände gelblich verfärbt, und das, was aussah wie tiefe Schatten in den Winkeln und Ritzen der erhabenen Verzierungen, war in Wirklichkeit Ruß; mindestens zwei Wochen harter

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