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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ging zu ihr hin, um den abgebrochenen Kopf einer Schäferin aus Meißner Porzellan aus dem Scherbenhaufen in der Vitrine zu nehmen. Er nahm den kleinen Kopf mit auf seinen Platz zurück.
    »Ich glaube, Francie weiß noch gar nicht, daß sie dieses Stück gestern abend zerbrochen hat«, bemerkte er. »Das wird ihr weh tun. Unser ältester Bruder hat es ihr geschenkt. Sie standen einander sehr nahe.«
    Lynley war nicht bereit, sich Familienerinnerungen anzuhören. »Wenn Mary Agnes die Tote heute morgen um sechs Uhr fünfzig entdeckte, wieso wurde dann erst um zehn nach sieben die Polizei angerufen? Warum brauchten Sie zwanzig Minuten, um den Anruf zu machen?«
    »Ich habe bis jetzt nicht einmal gewußt, daß soviel Zeit vergangen war«, antwortete Stinhurst.
    Diese Antwort war klug, völlig nichtssagend, weder weiterer Kommentar noch Beschuldigung ließen sich daran anschließen.
    »Dann sollten Sie mir vielleicht jetzt erst einmal genau erzählen, was heute morgen geschah«, sagte er mit ausgesuchter Höflichkeit. »Vielleicht können wir dann klären, warum bis zu dem Anruf zwanzig Minuten vergingen.«
    »Mary Agnes fand Joy. Sie holte sofort meine Schwester Francesca. Und Francesca holte mich.« Stinhurst schien zu ahnen, was Lynley fragen wollte, denn er fuhr fast ohne Pause zu sprechen fort. »Meine Schwester war in heller Panik. Sie war völlig aufgelöst. Sie dachte wahrscheinlich überhaupt nicht daran, selbst die Polizei zu rufen. In unangenehmen Situationen hat sie sich ihr Leben lang auf ihren Mann verlassen. Und da er tot ist, verließ sie sich nun auf mich. Das ist doch eigentlich ganz normal, Thomas.«
    »Und das ist alles?«
    Stinhursts Blick ruhte auf dem Porzellanköpfchen in seiner Hand. »Ich sagte Mary Agnes, sie solle alle in den Salon zusammenrufen.«
    »Und keiner erhob Einwände?«
    Stinhurst sah auf. »Bedenken Sie den Schock. Wenn man ganz harmlos ins Wochenende fährt, erwartet man schließlich nicht, daß einer aus der Gruppe in der Nacht durch einen Dolchstich in den Hals getötet wird.« Lynley zog eine Augenbraue hoch. »Ich habe Joy heute morgen gesehen, als ich die Tür zu ihrem Zimmer absperrte«, erklärte Stinhurst.
    »Sie waren sehr geistesgegenwärtig für jemanden, der zu!erstenmal mit einem Mord konfrontiert war.«
    »Einer muß klaren Kopf behalten, wenn unter uns ein Mörder ist.«
    »Sind Sie so überzeugt davon?« fragte Lynley. »Sie haben nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Mörder von außerhalb gekommen sein könnte?«
    »Das nächste Dorf ist an die acht Kilometer entfernt. Die Polizei brauchte heute morgen fast zwei Stunden, um herzukommen. Halten Sie es wirklich für möglich, daß der Mörder mitten in der Nacht auf Skiern anrückte, um Joy zu töten?«
    »Von wo haben Sie die Polizei angerufen?«
    »Vom Büro aus.«
    »Wie lang waren Sie da drinnen?«
    »Fünf Minuten. Vielleicht auch weniger.«
    »War das der einzige Anruf, den Sie machten?«
    Die Frage überraschte Stinhurst sichtlich. Sein Gesicht verschloß sich augenblicklich. »Nein. Ich habe auch mit meiner Sekretärin in London telefoniert. Ich habe sie in ihrer Wohnung angerufen.«
    »Warum?«
    »Ich wollte ihr Bescheid geben und sie bitten, meine Termine am Sonntag abend und am Montag abzusagen.«
    »Wie weitblickend von Ihnen! Aber finden Sie nicht auch, daß es ein wenig seltsam ist, daß Sie an Ihre persönlichen Termine denken, nachdem Sie gerade entdeckt haben, daß eine Freundin oder Bekannte von Ihnen ermordet worden ist?«
    »Ich kann's nicht ändern, wenn es merkwürdig wirkt. Es war so.«
    »Und was waren das für Termine, die Sie absagen mußten?«
    »Ich habe keine Ahnung. Der Terminkalender liegt bei meine!Sekretärin. Ich richte mich immer nur nach dem Tagesplan, den sie mir jeden Morgen gibt.« Ungeduldig, beinahe eine Spur aggressiv fügte er hinzu: »Ich bin häufig unterwegs. Da ist das das einfachste Verfahren.«
    Lynley hatte den Eindruck, daß die letzten beiden Bemerkungen einer Verzögerungstaktik dienten. Sie waren völlig unnötig gewesen, und Lynley hätte interessiert, warum Stinhurst sie überhaupt gemacht hatte.
    »Welche Rolle spielte Jeremy Vinney in ihren Wochenendplanungen?«
    Auch auf diese Frage schien Stinhurst nicht vorbereitet zu sein. Diesmal jedoch schien seinem kurzen Zögern mehr nachdenkliche Überlegung als Ausweichen zugrunde zu liegen.
    »Joy wollte gern, daß er mitkommt«, antwortete er nach einer kleinen Pause. »Sie hatte ihm von der Lesung

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