02 - komplett
Versuchung, sich ihm anzuvertrauen. Denn sie hatte ja wirklich Angst. Nichts wünschte sie sich lieber, als es ihm zu sagen und sich von ihm in die Arme nehmen zu lassen. Denn diese Angelegenheit konnte nichts mit Guy Westrope zu tun haben, da er die ganze Zeit mit ihr zusammen in seinem Haus gewesen war.
„Ich habe sie gerade eben im Speisezimmer gefunden ...“, begann sie zögernd. Doch da seine Miene heftiges Interesse widerspiegelte, fiel ihr etwas ein. Er war eben doch nicht die ganze Zeit mit ihr zusammen gewesen. Einer der Männer hatte sich in den Garten begeben, als die Damen sich zurückzogen. Nur wenige Minuten hätten ihm gereicht, um die Straße zu überqueren und den verwelkten Strauß hinzulegen –
wenn er einen Zugang zum Haus kannte. Inzwischen war Hester davon überzeugt, dass jemand im Moon House kommen und gehen konnte, wie es ihm gefiel.
Und wer außer Guy Westrope hatte einen Grund, sie aus ihrem Haus zu vertreiben?
Ihr Misstrauen musste ihr anzumerken sein, denn Guy sagte fast grimmig: „Wenn Sie mir schon nicht vertrauen wollen, dann seien Sie wenigstens auf der Hut, Hester. Mir gefällt die Bedeutung dieser Rosen nicht.“
„Und mir gefallen Ihre Versuche nicht, mich einzuschüchtern“, entgegnete sie kühl.
„Ich habe Ihnen bereits zu verstehen gegeben, Guy, dass ich mein Haus nicht verkaufe und mich auch nicht mit gemeinen Zaubertricks vergraulen lasse.“
„Sie glauben, ich versuche, Sie einzuschüchtern?“
„So meinte ich das nicht. Aber wer außer Ihnen möchte dieses Haus in seinen Besitz bringen?“
„Jedenfalls offensichtlich niemand, der Ihnen seine Wünsche offenbart hätte“, antwortete er gelassen. „Was nicht heißt, dass es einen solchen Jemand nicht gibt.“
Er war einen Schritt näher gekommen, und Hester wich unwillkürlich in das Speisezimmer zurück. „Ich möchte Sie daran erinnern, meine Liebe, wie deutlich ich meine Absichten von Anfang an machte. Außerdem unterbreitete ich Ihnen ein äußerst großzügiges Angebot.“
„Weil Sie glaubten, ich sei eine ältliche Dame, die sich nur allzu leicht von einem Gentleman Ihres Ranges dazu verlocken ließe, sein Verlangen zu erfüllen.“ Ihr Atem kam schneller, und aus irgendeinem Grund wurde ihr auf einmal ganz heiß.
Guy lachte leise. „Ich gebe zu, dass ich annahm, Sie seien eine Witwe mittleren Alters. Was jedoch mein Verlangen angeht ...“ Hester spürte, wie sie errötete. Ein dümmeres Wort hätte sie sich nicht aussuchen können. „Ich kannte Sie kaum eine Minute, da ergriff mich schon das starke Verlangen, dies zu tun.“ Und damit nahm er sie entschlossen in die Arme und küsste sie auf den Mund.
Hester schnappte erschrocken nach Luft, was ein großer Fehler war, wie sie feststellte, denn Guy nutzte den Vorteil, um den Kuss zu vertiefen. Verzweifelt versuchte sie, ihn von sich zu stoßen, doch sie hätte genauso gut versuchen können, eine Wand beiseitezuschieben. Stattdessen blieben ihre Hände ganz gegen ihren Willen auf seiner breiten Brust liegen.
Jeder ihrer Sinne schien nur von ihm erfüllt zu sein. Sein Duft, sein Geschmack waren so neu für sie, so überwältigend männlich. Sie hörte nur ihren rasenden Herzschlag, sie spürte nur den sanften Druck seiner Lippen auf ihrem Mund, der sie erzittern ließ vor Leidenschaft.
Doch dann kamen ein lautes Krachen aus der Küche und gleich darauf ein ärgerlicher Laut von Susan, und im nächsten Moment lehnte Hester schwer atmend am Türrahmen des Speisezimmers. Guy betrachtete sie mit vor Verlangen blitzenden saphirgrünen Augen, und unwillkürlich ging Hesters Blick zu seinem festen, sinnlichen Mund. Mühsam rief sie sich zur Ordnung. Ein Wutanfall schien der einzige Ausweg aus einer so verfahrenen Situation zu sein.
„Mylord! Das war empörend!“
„Ich fand es eher angenehm“, meinte er, wich aber vorsichtig vor ihr zurück, als sie wütend auf ihn zukam.
„Es ist mir völlig klar, was Sie bezwecken, Mylord“, fuhr sie ihn an, zu außer sich, um Vorsicht walten zu lassen. „Sie denken, Sie können mit mir flirten, bis ich zu konfus bin, um Ihre Vorschläge abzulehnen. Oder Sie kompromittieren mich so sehr in den Augen der hiesigen Gesellschaft, dass ich das Haus verkaufen und fortziehen muss, ob ich will oder nicht.“
„Hester, ich schwöre Ihnen, ich würde nie etwas tun, das Sie kompromittieren könnte. Und wenn ich beabsichtigte, Sie zu einem Verkauf zu verführen, würde ich doch nicht so dumm sein und Sie in Ihrer
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