02 - komplett
Raum anzuzünden. Danach schaute sie ihrer Herrin über die Schulter. „Oh, mein Gott!“
„In der Tat“, stimmte Hester mit leicht bebender Stimme zu, selbst erschrocken über das, was sich ihr im hellen Kerzenschein zeigte.
„Es muss seine Schwester sein.“
Hester erkannte die Ähnlichkeit auch und wusste, wessen Schwester Susan meinte.
Die Haarfarbe, die Gesichtszüge, dieses verspielte Lächeln um die Lippen – alles deutete darauf, dass es eine Verwandte Guys sein musste, und zwar eine enge Verwandte.
„Lady Broome kann es nicht sein“, wandte sie jedoch ein. „Schau doch, wie altmodisch das Kleid ist. Ich glaube, es kann nicht einmal seine Mutter sein.“ Hester überlegte. „Wenn Guy um die dreißig ist, ist er 1784 geboren. Das Gemälde stammt vielleicht aus der Zeit um 1750. Die Dame ist Anfang Zwanzig, was bedeutet, sie muss gegen 1726 oder 27 geboren sein. Also war sie ...“, sie rechnete schnell nach,
„... in ihren späten Fünfzigern, als Guy auf die Welt kam.“
„Dann war das seine Großmutter?“
„Ist jedenfalls wahrscheinlicher. Allerdings hat sie grüne Augen, anders als Lord Buckland.“
„Trotzdem kommen sie mir vertraut vor.“ Susan runzelte die Stirn. „Nein, es fällt mir nicht ein. Werden Sie ihm das Bild zeigen?“
„Nein“, antwortete Hester. „Lass es von Jethro in mein Zimmer tragen und neben die Kommode stellen.“
Sie achtete kaum auf Jethros Erstaunen, als er das Gemälde sah und gemeinsam mit Susan, die auf ihn einflüsterte, aus dem Raum ging. Zu sehr hatte das Porträt sie erschüttert. „Guy“, sagte sie leise und fuhr mit den Fingern am Rahmen des Gemäldes entlang, als striche sie Guy über das Haar.
Sie hatte einen kleinen Einblick in die Gründe bekommen, weswegen er ihr nicht hatte erklären können, warum er so erpicht auf Moon House war. Doch sie wusste nicht, wer die Frau auf dem Gemälde war und warum jemand ihr so viel Hass entgegengebracht hatte.
Susans Schrei riss sie aus ihren Gedanken, und Hester war auf den Beinen und am Fuß der Treppe, bevor Jethros Schimpftirade und Susans ärgerliche Ausrufe ihr versicherten, dass keinem von beiden etwas geschehen war.
„Was ist los?“ Und dann sah sie es selbst. Neben der Tür zu ihrem Schlafgemach stand ein Strauß verdorrter Rosen – und dieses Mal hielt sie ein schwarzes Satinband zusammen.
„Sechs natürlich.“ Hester öffnete die Tür. Wie es schien, hatte sich im Zimmer selbst nichts verändert. „Hier sind sie wohl nicht gewesen.“
„Aber wie sind sie nur ins Haus gekommen?“, rief Susan aufgebracht.
„Diesmal wohl durch die Haustür“, antwortete Hester. „Sie stand doch offen, als Lord Buckland sich selbst einließ, und als er ging, war sie wieder offen. Ich nahm an, ihr hättet vergessen, sie zu schließen.“ Sie trat ans Fenster und blickte hinaus. Es war jetzt endgültig dunkel geworden, und sie sah nur ihr eigenes Spiegelbild.
Doch dann wurde die Stalltür von gegenüber geöffnet, und in dem Licht, das von innen herausströmte, sah Hester deutlich einen Reiter auf einem schwarzen Pferd heraustraben. Wer ritt denn in einer so dunklen, eiskalten Nacht aus? Es war natürlich Guy. Aber was hatte er vor?
Dann kam ihr eine Erleuchtung. Er war im Begriff, seine Drohung wahr zu machen und einen Einbruch bei den Nugents zu wagen. Wahrscheinlich brachte er damit sein Leben in Gefahr. Sie ging zurück in den Flur, wo Susan und Jethro noch standen.
„Jethro ...“ Sie musterte ihn so eindringlich von Kopf bis Fuß, dass er bestürzt zurückwich. „Ja, die sollten eigentlich passen. Sei so freundlich und bring mir eine deiner Hosen, ein Hemd und ein warmes Jackett, und dann sattle Hector. Nimm dafür deinen Sattel, nicht meinen. Susan, leg mir Reitstiefel, Handschuhe und Peitsche heraus. Und ein dunkles Schultertuch.“
„Ich soll Hector satteln, Miss Hester? Wird er sich denn reiten lassen?“
„So wurde mir jedenfalls beim Kauf versichert. Und ich werde es zweifellos herausfinden. Ihr wisst ja, dass ich in Portugal sehr oft geritten bin. Und jetzt beeilt euch.“
Zwanzig Minuten später stand Hester vor Hector und legte sich den dunklen Schal um. Das Pferd schien nichts gegen den Sattel einzuwenden zu haben.
„So, Jethro, du bleibst hier und passt auf Susan und Maria auf. Hilf mir aufs Pferd.“
„Aber wohin wollen Sie denn?“, jammerte Susan, als Hester schon auf die Pforte zuhielt.
„Nach Winterbourne Hall.“
Zu ihrer Erleichterung genoss Hector den
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