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02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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um, der früher einmal ein zweifellos sehr hübscher Empfangssalon gewesen sein musste. Ihr Vorschlag, den Earl schon am folgenden Tag um drei Uhr zu empfangen, hatte auf dem Glauben beruht, dass es leicht sein würde, dafür einen annähernd zivilisierten Raum zu finden.
    Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie den ganzen Tag daran arbeiten mussten, dieses Zimmer und die Halle herzurichten. Und daran, was der Earl von der schlampigen Person gehalten haben musste, die ihm die Tür geöffnet hatte, wollte sie lieber nicht denken.
    „Was macht es schon aus?“, sagte sie sich forsch und durchquerte die Halle, um zu erkunden, ob der andere Salon sich in einem besseren Zustand befand. Leider nicht.
    „Er ist wahrscheinlich nur einer von Johns Bekannten.“ Die Vorstellung tröstete sie nicht besonders. Denn sollte das der Fall sein, betrachtete der gut aussehende Earl Miss Hester Lattimer gewiss als gefallene Frau.
    „Ich muss aufhören, ständig Selbstgespräche zu führen“, schalt sie sich, gleichzeitig ihren eigenen Ratschlag missachtend, während sie zur Treppe zurückging. „Als Nächstes die Schlafräume.“ Es war besser, das Schlimmste zu erfahren, bevor der Tag sich seinem Ende zuneigte. Die Behauptung des Maklers, das Haus sei „teilweise möbliert“, erwies sich zunehmend als übertrieben zuversichtlich.
    „Und was macht es dir aus, was irgendein dahergelaufener Earl von dir hält, Hester Lattimer?“ Im Allgemeinen nicht viel, sagte sie sich insgeheim, aber bei diesem bestimmten Mann ...
    Im ersten Schlafgemach stand ein Bett, dessen mit einem Tuch abgedeckte Matratze trocken und zu ihrer Erleichterung frei von Mäusen zu sein schien. Sie schaute noch in drei weitere Zimmer, jedes mit Bett und Matratze ausgestattet, und öffnete dann die Tür zu dem Raum, von dem man auf den Garten vor dem Haus blickte.
    „Oh, wie wunderschön!“ Zwei große Fenster ließen großzügig das Tageslicht ein. Wer mochte, konnte auf den breiten Fensterbänken die Aussicht auf den Garten genießen. Völlig verstaubte Seidenvorhänge rahmten die Fenster ein, und dazwischen standen eine Chaiselongue und ein kleiner Beistelltisch. Das zierliche Himmelbett war zweifellos das schönste Möbelstück. Hester berührte die Seide behutsam, zog die Hand jedoch hastig zurück, als der zarte Stoff unter ihren Fingern zerfiel. Auch hier hatte man sich allerdings Mühe gegeben, die Matratze zu bewahren, und das Gemach schien zumindest bewohnbar zu sein, wenn auch sehr schmutzig und eiskalt.
    Sofort erkor sie dieses Zimmer zu ihrem eigenen. Maria und Susan konnten sich eins von den anderen aussuchen. In einer Ecke des Raums gab es eine zweite Tür. Hester ging darauf zu und hielt nur kurz inne, um zu dem hässlichen Haus gegenüber zu schauen. Im Sommer würde es größtenteils von einer riesigen Ulme verdeckt werden, doch jetzt konnte man seine finstere Fassade deutlich zwischen den kahlen Ästen ausmachen. Über der hohen Mauer waren mehrere Fenster im ersten Stock zu sehen, aber nichts schien sich dahinter zu regen. Wer lebte dort? Würden es angenehme Nachbarn sein? Hester kämpfte einen Moment mit dem Riegel des Fensters, doch dann schaffte sie es, den unteren Fensterrahmen nach oben zu schieben. Kühle, frische Luft strömte in den stickigen Raum, und sie atmete sie tief ein.
    Stimmen drangen von gegenüber zu ihr. Ein Tor in der hohen Mauer wurde geöffnet, und eine Karriole, gezogen von zwei dunkelgrauen Pferden, erschien. Unverkennbar war es der Earl, der die Zügel führte.
    Vorhin war sie viel zu aufgeregt gewesen, um mehr als einen verschwommenen Eindruck von ihm gewonnen zu haben. Die Farbe seines Haars hätte sie nicht nennen können. Sie erinnerte sich nur an die faszinierenden Augen und daran, wie groß er ihr erschienen war – so hochgewachsen, breitschultrig und kräftig. Jetzt fiel ihr noch das feste, markante Kinn auf. Er sah nicht aus wie ein Mann, der mit sich spaßen ließ.
    Wenn sie an die finstere Miene dachte, mit der er sie begrüßt hatte, und an den kühlen, höflichen Ton, machte sie sich ein wenig Sorgen, wie er auf ihre kleine Täuschung reagieren würde.
    Zumindest wusste sie jetzt, wer ihr Nachbar war, obwohl angenehm nicht das erste Wort wäre, das sie benutzen würde, um ihn zu beschreiben. Andererseits gab es jetzt ein neues Rätsel. Sie hätte sich noch vorstellen können, dass er im „Bird in Hand“ abstieg, um eine seiner Angelegenheiten zu erledigen. Doch warum hatte er sich hier einen festen

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