02 - komplett
ausdrucksvollen Mund und Unmengen brauner Locken, die unordentlich ihr Gesicht einrahmten. Der Schmutzfleck auf der Nase des erstaunlichen Wesens wie auch die Schürze gaben ihm zu verstehen, dass er es beim Staubwischen unterbrochen hatte. Seine Vermutung wurde bestätigt, als das junge Ding eine Handvoll Staubtücher hastig hinter dem Rücken verschwinden ließ.
Erst jetzt machte Guy sich klar, wie sehr er sie mit seinem finsteren Blick verunsichern musste. Dass er an einem ungewohnten Aufruhr der Gefühle litt, rechtfertigte nicht seine Unhöflichkeit einem armen Dienstmädchen gegenüber. Er schien es durch sein Erscheinen völlig eingeschüchtert zu haben, da es keinen Ton hervorbrachte.
„Guten Morgen. Ist deine Herrin zu Hause?“ Parrott hatte ihm berichtet, außer einem Reitknecht nur noch eine Frau gesehen zu haben.
Ein seltsam schelmischer Ausdruck erschien in den Augen des Dienstmädchens, doch gleich darauf senkte es den Blick, und Guy war sicher, dass er sich geirrt hatte. „Nein, Sir. Vielmehr, will sagen ... sie empfängt noch nicht, Sir. Hätten Sie denn den Wunsch, eine Nachricht zu hinterlassen, Sir?“
Guy zog eine Karte aus der Jackentasche. Das Dienstmädchen streckte eine bemerkenswert zarte Hand aus und nahm die Karte. „Wird deine Herrin morgen zu Hause sein?“
„Nun ... ja, Sir ... Mylord, sollte ich wohl sagen.“
Das würde nicht leicht werden. Hatte diese braunäugige Magd Angst vor ihm, oder war sie einfach nur schüchtern? Er versuchte es mit einem freundlichen Lächeln und sah, dass sie ihn fasziniert betrachtete. „Um welche Zeit wird es ihr genehm sein, mich zu empfangen? Was meinst du?“
„Drei Uhr.“ Das kam in einem erstaunlich entschlossenen Tonfall.
„Nun gut. Bitte teile deiner Herrin mit, ich würde mir morgen die Ehre geben, um drei Uhr bei ihr vorzusprechen. Guten Tag.“
„Ja, Mylord. Äh ... guten Tag, Mylord.“ Ein Anflug von einem Lächeln erschien um den ernsten Mund, sodass die Unterlippe noch voller erschien. Fast als würde sie schmollen, dachte Guy fasziniert.
Die Tür schloss sich hinter ihm, noch bevor er sich richtig abgewandt hatte.
Nachdenklich ging er den von Unkraut überwucherten Weg weiter. Ein seltsames kleines Geschöpf, dieses Hausmädchen. Hübsche braune Augen und ein wirklich sinnlicher Mund, obwohl er so ernst war. Es wäre interessant, sie wieder zum Lächeln zu bringen. Guy rief sich scharf zur Ordnung und beschleunigte seine Schritte. Das ging wirklich nicht an. Kaum zwei Tage in der hintersten Provinz, und schon warf er ein Auge auf die Dienstmädchen. Er nahm sich vor, noch am selben Nachmittag mit der Karriole und den neuen Grauen eine Ausfahrt zu machen, um auf andere Gedanken zu kommen.
In der stillen Halle lehnte Hester wieder gegen die Eingangstür und las die Karte in ihrer Hand, während ihr Herz sich nur langsam wieder zu beruhigen begann.
Guy Westrope, Earl of Buckland. Und daneben eine sehr exklusive Londoner Adresse. Warum in aller Welt wollte ein Earl sie aufsuchen? Hester lief in den Raum zu ihrer Rechten und schaute aus dem Fenster. Gerade sah sie den Earl hinter der Mauer des schrecklichen Hauses auf der anderen Seite der Straße verschwinden.
Warum suchte ein Mann, der die Wintermonate sehr wohl auf seinem Landsitz oder denen seiner sicher zahllosen Freunde verbringen konnte, eine unbekannte Dame in einem kleinen Dorf in Buckinghamshire auf? Bei dem Gedanken an seine bemerkenswerten blauen Augen gab Hester sich einen Moment der Vorstellung hin, er könne ihr aus London gefolgt sein – ganz hingerissen von ihrer Schönheit und ihrem Charme, die ihm schon von Weitem aufgefallen waren. Dass ein so starker, eindrucksvoller Mann sie auf diese Weise verfolgen könnte, brachte ihr Herz wieder zum Klopfen.
Mit einem leisen Lachen über diese albernen Gedanken wischte Hester mit ihren Staubtüchern über das gesprungene Glas eines Spiegels, der neben dem Fenster hing, und schaute hinein. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, wurde sie sofort wieder ernst.
„Was für eine Vogelscheuche!“ Ein dunkler Schmutzfleck bedeckte die Nase und eine Wange, das Haar hatte sich aus dem Knoten gelöst und fiel ihr teilweise auf die Schultern. All das und die unförmige Schürze vervollständigten das Bild eines liederlichen Hausmädchens. „Ach, du meine Güte“, sagte sie mit einem Stöhnen. Das würde sie lehren, sich wilden Hoffnungen hinzugeben, was den ansehnlichen Gentleman anging.
Entsetzt sah sie sich in dem Raum
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