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02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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Lichts schien sie sich zu bewegen.
    Plötzlich erschien ihr die Stille gar nicht mehr freundlich und friedlich. „Nein“, sagte sie laut und entschieden. „Es ist mein Zimmer, und ich werde mich nicht von einigen Scherben und einem Fleck an der Wand verängstigen lassen.“
    Sie ging zu dem Tisch neben der Chaiselongue und zündete die drei Kerzen im Leuchter an. In der Fensterscheibe spiegelte sich ihr eigenes Gesicht wider. Kein Mond schien. Nur die Lichter der Häuser um die Gemeindewiese herum durchbrachen die Finsternis.
    Als Hester versuchte, die Vorhänge zu schließen, zerfielen sie in ihren Händen, so brüchig waren sie vom Alter. Die eine Hälfte des Fensterladens ließ sich leicht lösen und schließen, doch die andere vermochte sie nicht von der Stelle zu bewegen. Also gab sie den Versuch auf.
    Sobald sie in ihr Nachthemd geschlüpft war und sich ein Schultertuch umgelegt hatte, beugte sie sich vor und blies die Kerzen aus. Unwillkürlich ging ihr Blick noch ein letztes Mal zu der Ankleidezimmertür. Würde sie schlafen können, oder würde sie die ganze Nacht in der Dunkelheit in diese Richtung schauen und sich die fürchterlichsten Dinge ausmalen?
    Mit der einzelnen Kerze in der Hand ging sie auf die Tür zu und öffnete sie. „Oh, der liebe Junge!“, sagte sie unwillkürlich. Jethro hatte gefegt und den ärgsten Staub entfernt. Keine Scherben lagen mehr herum, und die Wand war an der bestimmten Stelle weiß übermalt worden. Offenbar hatte Jethro auch die Perlen aufgesammelt, denn sie lagen alle in einer Schale auf der Frisierkommode. Sogar das Fenster war einen Spaltbreit geöffnet worden, und die kühle Luft hatte den stickigen Geruch vertrieben. Jetzt bot sich ihrem Blick wieder nur ein leeres, unbedrohliches Zimmer.
    Was für ein guter Junge er doch ist, und so feinfühlig für sein Alter, dachte Hester lächelnd.
    Beruhigt kehrte sie zum Bett zurück. Plötzlich war sie viel zu müde, um noch Erinnerungen nachzuhängen. Stattdessen musste sie an den morgigen Besuch denken. Was wohl der Earl von mir hält, überlegte sie, während sie unter die Decke schlüpfte.
    Wie seltsam, dass nicht seine Frau den ersten Anstandsbesuch gemacht hatte. Aber vielleicht besaß er ja keine ...

    Auf der anderen Seite der Straße im roten Backsteinhaus stand Guy Westrope in seinem Schlafgemach und hielt erwartungsvoll inne. Vielleicht würde die schlanke Gestalt in Weiß wieder am Fenster des Nachbarhauses vorbeikommen. Doch kurz darauf wurde es im Zimmer gegenüber dunkel, als eine einzelne Kerze gelöscht wurde.
    Wer war diese Frau? Sicher nicht die seltsame Magd, denn was hätte sie im wohl besten Schlafgemach des Hauses zu suchen? Dann also ihre Herrin? Oder nur ein Hirngespinst? Allerdings müsste der Geist, den Guy in diesem Fall erwartete, eigentlich blondes Haar besitzen und keine dunklen Locken wie diese geheimnisvolle Erscheinung.
    Nicht zum ersten Mal an diesem Tag schimpfte er sich einen Dummkopf und begab sich zu einem einsamen Mahl nach unten.
    Kurz vor drei Uhr am folgenden Nachmittag versammelte Hester ihren gesamten Haushalt im neu eingerichteten Salon und betrachtete kritisch sowohl den Raum als auch die Dienerschaft. Alles blitzte vor Sauberkeit, und Möbel waren aus dem ganzen Haus herangeschafft worden – die Chaiselongue aus ihrem Schlafgemach, eine Kommode aus dem anderen Salon und Beistelltische von überall sonst schmückten jetzt diesen Salon. Auch das Feuer im Kamin verlieh dem Raum etwas Gemütlichkeit. Die beiden großen Sessel, die bereits hier gestanden hatten, ließ Hester jetzt zu beiden Seiten des Kamins aufstellen, einen weiteren bequemen Sessel daneben, damit Maria in ihrer Nähe Platz nehmen konnte. Ein wenig zufällig zusammengewürfelt sah die Einrichtung schon aus, aber zunächst würde man sich damit begnügen müssen.
    Zumindest waren Hester und ihre Dienerschaft passend gekleidet, um ihren Besuch zu empfangen. Jethro trug seinen besten Anzug mit einer gestreiften Weste und hatte sich das Haar ordentlich im Nacken zusammengebunden. Susan sah in ihrer Schürze sehr adrett aus, und Maria bot das Bild einer achtbaren Gouvernante in einem grauen Kleid und mit einem schwarzen Schultertuch. Für sich selbst hatte Hester ein Kleid aus honiggelber Wolle in bester Qualität gewählt. Ihren Schal aus Kaschmir hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Das Haar trug sie heute ordentlich hochgesteckt. Kaum einer Strähne gelang es, sich aus dem festen Knoten zu befreien, bis auf einige

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