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02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

Titel: 02 Nightfall - Rueckkehr des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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dunklen Ranken glitten von Lokis Arm und Hals. Das Lied wurde leiser und verstummte.
    Ein herrliches Lied. Ein Lied, das er im Mississippi ertränken würde.
    Lucien steckte Dantes Gebet in seine dunkle Hose und spreizte die Flügel. Ein Windstoß löschte die letzten noch brennenden Kerzen und verstreute die Papierfetzen mit den Gebeten auf dem Friedhofspfad.

    Gerade als er seine Flügel ganz gespreizt hatte und begann, in den dunklen Himmel aufzusteigen, vernahm er den Herzschlag eines anderen Wesens. Es war ein kräftiger, regelmäßiger Rhythmus, den Lucien kannte. Er verweilte schwebend über dem Hauptweg des Friedhofs und ließ seinen Blick durch das Buschwerk und die Bäume wandern.
    Sie trat aus dem Schatten einer Zypresse. Fließendes nachtblaues Haar, milchweiße Haut und intensiv strahlende Augen. Ein weinrotes Kleid schmiegte sich um ihre Kurven. Auf dem Rücken hatte sie ihre schwarzen Flügel zusammengefaltet.
    Rubine funkelten in dem schmalen Wendelring um ihren Hals und den goldenen Reifen, die ihre schlanken Handgelenke zierten. Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Lippen – Lippen in der Farbe roten Weines, der im Mondlicht funkelte, und ebenso berauschend.
    »Kein Lied, um mich zu begrüßen, mein Cydymaith ?«, fragte Lilith.
    Ohne ein Wort wirbelte Lucien herum und schnellte in den Himmel empor. Dantes dunkle Blumen begannen wieder zu singen, als der Wind ihre Blüten liebkoste. Lucien musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Lilith ihm folgte. Er hörte das mächtige Rauschen, als auch sie sich in die Luft erhob. Bisher war es ihm noch immer gelungen, sie abzuhängen, und er konnte nur hoffen, dass er dazu auch jetzt in der Lage war. Rasch flog er auf die breite, nachtschwarze Schleife des Mississippis zu, während ihm kalte Luft ins Gesicht schlug.
    Die Lichter der Stadt leuchteten grell wie Scheinwerfer zu ihm herauf. Nur im östlichem Teil der Stadt lag ein Bereich wie ausgestorben im Dunklen; dort war früher einmal das Viertel Ninth Ward gewesen, das inzwischen jedoch nach Tod und Verfall stank. Vévés, Gris-gris und geweihte Kerzen bewachten seine verzauberten Grenzen, um das andere, unwissende New Orleans vor den verbitterten und wütenden Geistern zu beschützen, die dort gefangen waren und auf ewig
festsaßen, auf ewig auf Hilfe warteten, die niemals kommen würde.
    Auf Luciens Gesicht begannen sich feuchte Tropfen zu sammeln, als er nach Süden auf den Mississippi zuflog. Mondlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, und die tiefroten und gelben Lichter von Schiffen beleuchteten den langsam dahinfließenden Fluss.
    Aus dem Augenwinkel nahm er etwas Schwarzrotes war. Lilith hatte ihn erreicht und flog nun neben ihm. Ihre Flügel rauschten sanft durch die Nacht.
    So viel zum Abhängen, dachte er trocken.
    Zarte Töne stiegen klar und trällernd in die Luft. Einen kurzen Moment lang, in dem ihm beinahe das Herz stehenblieb, schienen die vergangenen Jahrhunderte von ihm abzufallen, und Lucien glaubte, wieder durch den tiefblauen Himmel Gehennas zu fliegen, begleitet von seiner strahlenden und wunderschönen Cydymaith , die ihr kompliziertes Lied tirilierte.
    Das Getöse eines Flugzeugmotors über ihnen beendete schlagartig diese Illusion, und er kehrte wieder in die Gegenwart viele Jahrhunderte später zurück. Doch die singende Lilith war kein Wunschbild gewesen. Ihr verzagtes Wybrcathl erfüllte die Luft und damit auch Luciens Herz.
    Was sie aber sang, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    Gehenna verging. Es war ein Land, das zu lange ohne den starken, stützenden Einfluss eines Creawdwr hatte auskommen müssen. Die Grenze zwischen den Welten verschwamm immer mehr, und schon bald würden die Elohim zu den Sterblichen zurückkehren, um sie für alle Zeit zu unterdrücken.
    Dann würden die Kämpfe um Macht und Einfluss endgültig beginnen.

3
AUFLÖSUNG
    Über New Orleans · 15. März
     
    Mit langsamer schlagenden Flügeln begann Lucien, abzubremsen und sich allmählich auf das schlammige Ufer des Mississippi niederzulassen. Dantes dunkle Blumen sangen noch immer in seiner Hand, während Liliths Worte in seinem Inneren widerhallten.
    Gehenna hat begonnen, sich aufzulösen.
    Er faltete die Flügel hinter sich ein, ließ sich auf ein Knie nieder und tunkte den Strauß in die schwarzen Fluten, die nach Moos, Schlamm und Fischen rochen. Ein Luftzug erfasste sein Haar, das ihm ins Gesicht geweht wurde, und wieder sah er im Augenwinkel etwas Rotes aufblitzen.
    »Was tust du

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